Carla Schnettler im Porträt Kollege Künstlerin

Düsseldorf · Carla Schnettler ist Grafikerin in der Zentralredaktion der Rheinischen Post. Und sie ist Künstlerin - mit ersten schönen Erfolgen.

 Carla Schnettler vor ihren Arbeiten.

Carla Schnettler vor ihren Arbeiten.

Foto: Jana Bauch

Carla Sophie Schnettler arbeitet hinten links im Großraumbüro. Und dass fast alle sie nur "Carla" nennen und auch rufen, hat vor allem mit dem Umfeld zu tun - also mit der Hauptredaktion der RP, in der es oft schnell und mitunter hektisch zugeht und Grafiken, wenn möglich, sofort fertig sein müssen. Am besten hübsch und einfallsreich, informativ und übersichtlich.

Sie mag diesen Job, sagt sie, genauer: auch diesen. Denn neben dem Beruf gibt es bei ihr noch eine Berufung - nämlich die zur Kunst. Das sagt sich oft sehr leicht, als handle es sich um eine Art kreativen Ausgleich zum Job. Für Carla Schnettler ist ihr künstlerisches Schaffen aber viel mehr: ist Lebenssinn und Sinnsuche, ist eine fortwährende Erkundung dessen, was wir so leichtfertig Wirklichkeit nennen, ist auch ein Rätsel, das sie sich gerne selbst stellt.

Carla Schnettler ist Künstlerin. Aber nicht allein deshalb, weil die 25-Jährige an der Bergischen Uni in Wuppertal ihren Bachelor in Mediendesign und Kunst absolviert und jetzt die Aufnahme an der Düsseldorfer Kunstakademie geschafft hat. Sie ist Künstlerin, weil ihr Kunst ein Anliegen und zugleich Selbstvergewisserung ist. Dann spielt auch Erfolg keine Rolle, zunächst jedenfalls nicht. Was zählt, ist das eine Bild, ist die Leinwand, die Acrylfarbe, die Spraydose. "Malerei ist ein wildes Tier, das sich nicht beherrschen lässt", sagt sie.

In ihrer Wohnung in der Wuppertaler Südstadt dient eine Ecke als Atelier. Das passt eigentlich zu ihr, dass Leben und Kunstschaffen am besten eins sind. Doch irgendwann wird es schon ein richtiges Atelier geben müssen, zumal der Kunstmarkt (das andere wilde Tier) auf sie aufmerksam geworden ist. Nach diversen Sammelausstellungen waren zuletzt 30 Arbeiten in einer Einzelschau in der Wuppertaler Galerie "Kunstkomplex" zu sehen, sie hat jetzt zum zweiten Mal auf der "scope art" in Basel ausgestellt und dort fünf Werke verkaufen können. Und demnächst wird sie an einer Ausstellung in Berlin teilnehmen.

Selbst bescheiden kann sie davon zwar noch nicht leben. Doch immerhin klingt es schon nach einem Startschuss. Oder wenigstens nach einem Versprechen. Solche Erfolge sind eine schöne, vielleicht betörende und möglicherweise auch trügerische Bestätigung. Denn das Lob währt immer nur bis zum nächsten Bild. Carla Schnettler fotografiert auch, zeichnet, arbeitet gelegentlich plastisch. Im Kern aber steht die Malerei, mit der sie Menschen neu in die Welt setzt.

Viele Frauenakte darunter, die von Freiheit künden und einer konzentrierten Intimität. Die kräftigen Farben und harten Striche stören diese Geschlossenheit nicht, sie geben den Bildern eine ureigene Dynamik.

Und immer wieder finden sich kleinere Texte mittendrin, die so persönlich sind, dass Carla Schnettler sie extrem unleserlich geschrieben hat. Bekenntnisse werden damit zu einem Code, der in den Wohnzimmern der Käufer zwar sichtbar ist, aber unverständlich bleiben wird. Bilder als kleine trojanische Pferde, mit denen Carla Schnettler ihre Empfindungen in die Welt treten lässt, ohne sie verraten zu müssen.

Ein anderes Zeichen taucht häufig auf: so kleine, unscheinbare Dreiecke. Damit kennzeichnet sie Bilder, mit denen sie abgeschlossen hat, die - so komisch das klingt - für sie fertig sind. "Das ist wie in der Mathematik. Jeder Strich und jeder Klecks war zuvor eine Behauptung. Mit dem Dreieck ist dann der Beweis erbracht", sagt sie. Die "Rechnung" ist dann quasi aufgegangen - in der Logik des jeweiligen Bildes.

Die künstlerische Zukunft von Carla Schnettler drohte in diesem Februar ein jähes Ende zu nehmen, bevor vieles erst so richtig beginnen konnte. Bei einem Unfall in der Werkstatt schnitt ein Sägeblatt tief in vier Finger ihrer linken Hand. Eine OP folgte, bei der ein Finger mit einem langen Draht fixiert werden musste. Plötzlich war alles anders, wurde manches fraglich. Aus früherer Selbstgewissheit wurde Irritation. Carla Schnettler hat darüber auf ihre Art nachgedacht: nach der Heilung mit Bildern, in denen Figuren lange Finger haben, aus denen Drahtschlaufen hervorschauen.

Das ist keine Selbstentäußerung, sondern Ausdruck einer Kunst, die das Leben meint und die sich früh ins Leben einmischte. Im Kunstunterricht auf dem Gymnasium in Mönchengladbach-Rheindahlen erkannte der Lehrer bald das Talent seiner Schülerin. Weil ihm Kunst am Herzen lag, machte er das, was gute Pädagogen dann tun: Er ließ Carla Schnettler gewähren.

Und die tobte sich aus, auf langen Papierfahnen, die sie im Schulflur ausbreitete, malte auf die Wände der Gemeinschaftsräume, gestaltete die Schildchen an den Klassenzimmern. Die Schule ist ihr zur ersten Leinwand geworden. Kunst, die Schranken akzeptiert, verrät sich selbst.

In Rheindahlen fing es an. Wuppertal folgte. Dann Basel. Bald Berlin. Und zwischendurch immer wieder Düsseldorf - als Grafikerin der Rheinischen Post. Auch für diese Arbeit hat sie schon Anerkennung bekommen, vor drei Jahren mit dem ersten Platz beim dpa-infografik-award.

(los)
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