Heinz Mack Licht aus dem Orient

Mönchengladbach · Er wurde durch seine Licht-Installationen in der Wüste bekannt und zählt zu den Gründern der weltweit beachteten Gruppe Zero: Der Mönchengladbacher Künstler Heinz Mack wird jetzt 85 Jahre alt. Wir besuchten ihn in seinem Atelier auf dem Huppertzhof.

 Geometrie, Material und die Leuchtkraft der Farben - in seinem Atelier in Mönchengladbach zeigt sich das aktuelle Schaffen des Künstlers in seiner ganzen Vielfalt.

Geometrie, Material und die Leuchtkraft der Farben - in seinem Atelier in Mönchengladbach zeigt sich das aktuelle Schaffen des Künstlers in seiner ganzen Vielfalt.

Foto: Andreas Endermann

Alle reden von der arabischen Welt, doch nur wenige kennen sie aus eigener Erfahrung. Der Mönchengladbacher Künstler Heinz Mack, der am Dienstag 85 wird, pflegt seit Jahrzehnten eine besondere Sicht auf den Orient. Denn wer die Wüste durchfahren und darin sogar gearbeitet hat, dem kann niemand etwas vormachen. Mack kennt die "Leichtigkeit des Seins", die den Reisenden umfängt, wenn er sich in der Grenzenlosigkeit des Wüstensands verliert, wenn "einem die Ortsempfindung wegschwebt". Und er kennt die Angst, die sich einschleicht, wenn man die Orientierung zu verlieren droht. All dies ist schon in den 60er Jahren in Macks Kunst eingeflossen - Land Art, in der sich Energien bündeln und die der nächste Sandsturm überraschend schnell verschwinden lässt.

Orient lässt Mack nicht los

Das Thema Orient hat Mack seitdem nicht mehr losgelassen. Bis heute erzählen viele seiner Werke von der Auseinandersetzung mit der anderen Kultur, an der ihn vor allem die Schönheit fesselt. Islamismus, Terror und Bürgerkrieg sind nicht seine Themen - oder doch nur indirekt. Sie bilden unsichtbar die Folie, auf der er eine vielgestaltige Utopie entwirft. Arabesken, leuchtende Farben und Struktur als Kompositionsprinzip künden von einer besseren Welt.

Wer Mack in seinem Atelier besucht, dem fallen als Erstes die farbigen Bilder auf, die sich aus geometrischen Formen zusammensetzen, dazu gleichfalls leuchtende, rasterartige Kompositionen und als Rankwerk großformatige schwarze Tuschezeichnungen und ungegenständliche Skulpturen aus edlem Holz. Schließlich weist sich Mack auf seiner Visitenkarten seit je auch als Bildhauer aus.

"Das Licht explodierte"

Angefangen hatte es 1950 in Paris. Dort entdeckte Mack zu Beginn seiner Zeit als Student der Düsseldorfer Akademie Henri Matisses Gemälde "Schale mit Apfelsinen". Auf Anhieb wurde das orange leuchtende Bild für ihn zum Inbegriff des Mittelmeers. Fünf Jahre später, so erzählt er, brach er mit einem verbeulten Volkswagen nach Tunesien auf, merkte, wie die Stoßstangen aus Chrom unter dem südlichen Licht zu funkeln begannen, nahm aus seinem bescheidenen Hotel einen Toilettenspiegel in die Wüste mit und war überwältigt: "Das Licht explodierte."

Bald vertiefte er sich in die Kunst des Orients, diese Welt der Gegenstandslosigkeit, des Ornaments, die in mancherlei Hinsicht mit der Konkreten Kunst Europas verwandt zu sein scheint. Solche Erfahrungen flossen auch in sein "Sahara-Projekt" von 1968 und den zugehörigen Film "Tele-Mack" aus dem darauffolgenden Jahr ein, als Mack versuchte, durch Lichtreliefs, künstliche Sonnen und weiße Segel den Naturraum und den Raum der Kunst zu vereinen.

Blickt man heute auf Macks Biografie, so fällt auf, dass der Orient mit seinen Themen Licht, Raum und Energie in den 70er und 80er Jahren plötzlich keine Rolle mehr spielte. Mack entwarf Skulpturen, Stelen zumal, die in deutschen Innenstädten ein Zeichen setzten. Allerdings hatte er den Orient nach wie vor im Blick, bloß fehlten ihm die Gelder, um weitere Expeditionen zu unternehmen. Denn solch eine Durchquerung der Ténéré, der "Wüste der Wüsten" in der südlichen Sahara, wie Mack sie absolvierte, erfordert erhebliche Vorbereitungen, will man sicher sein, dass man sie überlebt. Hitze und Sand haben dort schon manches Schicksal besiegelt.

"Mystizismus"

Mack hat die Wüsten mit goldenen, Schatten werfenden Stelen markiert und, wie er erläutert, erst später gemerkt, dass es dafür Vorbilder im Jemen, in Syrien und in Mexiko gab. Als die Expeditionen ihm zu teuer wurden, suchte er einen neuen Zugang zum Orient, diesmal auf dem Wege der Malerei. In den 90er Jahren begann er jene leuchtenden geometrischen Formen zu malen, wie sie nach wie vor in seinem Atelier entstehen. Dabei geht es ihm, wie er betont, um "die Klarheit des Sehens". Und nebenbei wischt er Joseph Beuys eins aus, dessen "Mystizismus" er ablehnt. Dagegen lobt er die 2003 gestorbene Bonner Islamwissenschaftlerin Annemarie Schimmel, eine Anhängerin des Sufismus, der mystischen Spielart des Islam. Wie passt das zusammen? Mack erklärt, er setze auf das Zusammenspiel von Orient und Okzident, und erzählt anhand einer Anekdote, dass er zwar offen, in wichtigen Fragen aber nicht kompromissbereit sei.

Kurz nach dem Sturz von Schah Reza Pahlavi im Iran hatte Mohammad Chatami, der spätere Staatspräsident, ihn eingeladen, seine Kunst in Teheran auszustellen. Den Übersetzer, einen betagten Professor, hatte er angewiesen, alles genau zu übertragen - auch Macks Worte, dass sich die Jahrtausende alte Kultur Persiens allein der Freiheit ihrer Künstler verdanke. Bald danach sei der Übersetzer abgeführt worden mit der Begründung, er habe die Sprache Farsi beleidigt.

Zero-Kunst machte ihn bekannt

Dies ist nach wie vor die eine Seite der iranischen Kultur. Die andere zeigt sich darin, dass der jahrzehntelang versteckte Schatz an moderner westlicher Kunst, den der Schah im Land hinterlassen hatte, jetzt öffentlich erwähnt und auch ins Ausland verliehen wird. Die Werke sollen sogar bald in Berlin zu sehen sein. Wie heißt es doch in Goethes von Mack verehrtem West-östlichen Divan: "Wer sich selbst und andere kennt,/ Wird auch hier erkennen:/ Orient und Okzident/ Sind nicht mehr zu trennen."

Durch die Zero-Kunst ist Heinz Mack bekannt geworden, diesen radikalen künstlerischen Neuanfang nach der braunen Diktatur in Deutschland. Bis heute fühlt er sich den Prinzipien der scheinbar unpolitischen Richtung Zero verbunden. Selbstverständlich kennt er den Vorwurf, dass diese Kunst und alles, was sie fortführte, gesellschaftsfern sei. Dem hält er entschlossen seinen Glauben an die Kraft der Schönheit entgegen: "Auch Schönheit hat eine gesellschaftspolitische Bedeutung" - als Gegenpol zu Terror und allen Übeln der Welt. "Darin sehe ich den Wert meiner Arbeit", fügt er hinzu. Und es freut ihn, dass auch ein näher an den Fragen der Gesellschaft arbeitender Künstler wie Gerhard Richter ihm unmerklich beipflichtet. Schönheit, so bekannte er in einem Gespräch mit unserer Redaktion einmal, sei für ihn ein Maßstab von höchstem Rang.

Er setzt seine Arbeit fort

Heinz Mack könnte heute seine Hände in den Schoß legen und seinen Ruhm genießen. Stattdessen setzt er seine Arbeit in Mönchengladbach und auf Ibiza fort. 700.000 Menschen sahen zuletzt die große Zero-Ausstellung auf deren Stationen zwischen New York und Istanbul. Allerdings hat auch ein Großer einmal klein angefangen. Zu den ersten Zero-Ausstellungen in Düsseldorf, so erinnert sich Mack, kamen einst gerade einmal 20 Leute. Meist Familienangehörige.

(B.M.)
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