Gottesdienst Kleiner Knigge für die Konfirmation

Düsseldorf · Bis Pfingsten wird im Rheinland wieder konfirmiert. Viele Gottesdienstbesucher wissen aber gar nicht mehr, wie man sich angemessen verhält. Ein Pfarrer gibt Nachhilfe.

Kleiner Knigge für den Gottesdienst
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Foto: Sebastian Widmann

Neulich im Konfirmationsgottesdienst: Die Kirche ist glänzend besucht. Das ist schön für die Konfirmanden, die Familien und Freunde zu ihrem Fest eingeladen haben. Im Gottesdienst singt ein Gospelchor. Das ist nicht nur feierlich, sondern auch bitter nötig. Denn sonst würde fast niemand mitsingen, obwohl in der Kirche genügend Stimmkraft vorhanden wäre. Doch nach den Stücken, die der Chor alleine singt, wird applaudiert, als befände man sich statt in einer Kirche in einer musikalischen Aufführung. Plötzlich klingelt irgendwo ein Mobiltelefon. Der Besitzer kramt nicht etwa hektisch in der Tasche, um das Gerät stumm zu schalten. Nein, er hebt ab und teilt dem Anrufer mit, er befinde sich gerade in der Kirche und müsse kurz vor die Tür gehen, um ungestört zu telefonieren.

Überhaupt zücken viele Leute ihr Mobiltelefon, um Fotos zu machen. Dazu herrscht ein Geraschel und Geraune in den Kirchenbänken. Festliche Stimmung kommt dabei kaum auf.

Zur Konfirmation und zu Weihnachten gehen die meisten Leute in die Kirche. Zum Konfirmationsgottesdienst kommen aber weit mehr Menschen, die keinen kirchlichen Hintergrund oder Berührungspunkte zum Gemeindeleben mehr haben. Die Bereitschaft, trotzdem zu kommen, ist etwas Schönes. Sie ist Ausdruck einer besonderen Verbundenheit mit den Konfirmanden.

Aber die zunehmende Entfremdung ist dadurch zu spüren, dass sich die Kultur in den Festgottesdiensten in den vergangenen Jahren verändert hat. Gemeinden müssen viel mehr Rücksicht darauf nehmen, dass sich die Besucher mit der Gottesdienstordnung nicht mehr auskennen.

Rund 21.000 Jugendliche wurden im vergangenen Jahr in der rheinischen Landeskirche konfirmiert. Das entspricht einem Drittel aller 14-Jährigen eines Jahrgangs. Sogar 90 Prozent der evangelisch getauften 14-Jährigen lassen sich auch konfirmieren. Dieses Verhältnis bleibt seit etwa drei Jahrzehnten gleich, heißt es in einer Handreichung der Landeskirche.

Zwischen Palmsonntag und Pfingsten finden jedes Jahr die Konfirmationen statt. "Konfirmation" kommt vom lateinischen Wort "confirmare". Es bedeutet "bekräftigen". Mit der Konfirmation bestätigt ein Jugendlicher, dass er zur Kirche Jesu Christi gehören möchte. Er darf außerdem ab dann als vollwertiges Gemeindeglied am Abendmahl teilnehmen, Taufpate und Presbyter werden.

Für viele Familien markiert das Fest aber auch den Zeitpunkt, ab dem ein Jugendlicher langsam eigenständig wird. Die Familie feiert den Übergang von Kindheit zum Erwachsenwerden. Die heutige Tradition der Konfirmation geht auf den Reformator Martin Bucer (1491-1551) zurück. Zwar gilt sie in der evangelischen Kirche nicht als Sakrament, sie ist aber eine Amtshandlung von Bedeutung für die Gemeinden.

Entsprechend anlassbezogen sollten sich die Gottesdienstbesucher verhalten, findet Heinrich Fucks. Er ist Gemeindepfarrer in der evangelischen Kirchengemeinde in Düsseldorf-Gerresheim. "Wegen der persönlichen Beziehung zu den Konfirmanden benehmen sich viele so, wie es dem besonderen Augenblick gerecht wird." Er hat selbst erst kürzlich konfirmiert. Der Gottesdienst sei wirklich festlich gewesen, auch wenn vereinzelt Leute ständig ihr Mobiltelefon in der Hand gehalten hätten.

Fucks fällt trotzdem seit vielen Jahren auf, dass Besucher von Konfirmationen in vielen Teilen der Liturgie unsicher sind. "Viele kennen etwa das alte Liedgut nicht mehr", erzählt er. Selbst Schulgottesdienst- und Konfiunterricht-Klassiker wie "Lobet den Herren", "Laudato si", "Danke" oder "Komm' sag es allen weiter", sind vielen nicht mehr bekannt.

Mittlerweile findet man auch viel charismatisches Liedgut aus dem Bereich der christlichen Popmusik, das ältere Gemeindeglieder nicht kennen. "Die Frage ist, wie man mit dieser Verlegenheit umgeht." In vielen Gemeinden singt daher ein Chor auch die Gemeindelieder mit, doch selbst dann trauen sich viele nicht zu singen.

Ganz ähnlich ist es beim Gebet. Pfarrer Fucks druckt immer das Glaubensbekenntnis und das Vaterunser im Liedblatt ab, weil manche Besucher den Wortlaut nicht mehr auswendig können. Auch wann man im Gottesdienst aufsteht, ist vielen nicht präsent. Jede Handlung der Gemeinde muss durch den Pfarrer moderiert werden. "Wenn man möchte, dass die Gemeinde etwas tut, muss man es heutzutage sagen."

Dabei sind Mitsingen, Mitbeten und Aufstehen wichtige Teile der Interaktion zwischen Pfarrer und Gemeinde im Gottesdienst. Besucher fühlen sich aber oft mehr als Publikum, statt als Teil einer Gemeinde, die den Gottesdienst mitgestaltet. Daher kommt auch der Drang, nach jedem Programmpunkt zu applaudieren - sei es das Elternwort oder ein Chorlied. "Ich übergehe das meistens", sagt der Pfarrer.

In vielen Gemeinden ist der Konfirmationsgottesdienst liturgisch sehr verschlankt worden. Das Abendmahl findet oft schon am Vorabend in einem gesonderten Gottesdienst statt. Die Predigt ist mehr eine Ansprache an die Konfirmanden als eine ausführliche Auslegung eines Bibelverses. Theologen sprechen von "Kasualgottesdienst". Die Pfarrer achten mittlerweile auch darauf, dass der Gottesdienst nicht länger als eineinhalb Stunden dauert. Wird mehr Zeit nötig, werden viele in der Kirche spürbar ungeduldig.

So erzählt Fucks von einem Kollegen, der neulich bei einer Kommunion in Köln war. Dabei sah er zu, wie ein Mann im Seitenschiff der Kirche in aller Ruhe eine Zigarette rauchte.

(heif)
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