Düsseldorf Jelineks Tiraden über Trump

Düsseldorf · In "Am Königsweg" lässt die Literaturnobelpreis-Trägerin blinde Seher und Könige auftreten, die sich den amerikanischen Präsidenten vorknöpfen. Nun ist der Text erstmals als Hörspiel zu erleben.

Manchmal beschleichen Elfriede Jelinek Zweifel. Ob es überhaupt noch sinnvoll ist, all ihren Furor, all ihre in Sprache gegossene, aus der Sprache geschöpfte Empörung gegen den neuen Mann im Weißen Haus zu richten? Womöglich ist schon alles gesagt über den amerikanischen Präsidenten, Donald Trump, den Immobilien-König und Polit-Wüterich, der sein Land wieder groß machen will und glaubt, dass das ohne Erniedrigung anderer nicht geht. Womöglich will es keiner mehr hören. Und vielleicht ist das Teil des Problems.

Jelinek selbst jedenfalls würde lieber schweigen. Das bekennt sie gleich am Anfang ihres neuen Stückes "Am Königsweg" und später noch ein paar Mal. Doch natürlich ist das vorgeschoben, halb kokett, halb vorwurfsvoll. Sie kann nicht schweigen über einen Mann, der für sie so viel Hassenswertes verkörpert und von dem sie fürchtet, dass sein aggressiver Stil weiteren Hass sät. Und natürlich findet sie, dass ihr Nichtschweigen Gehör verdient. Dass noch längst nicht genug darüber nachgedacht wurde, warum einer wie Trump ins Amt kam. Und was nun zu unternehmen ist, da er tut, womit er drohte, und alles vielleicht keinen guten Ausgang nimmt.

Jelinek jedenfalls hat ihre Tiradenmaschine angeworfen. Gleich nach der Wahl Trumps hat die Literaturnobelpreis-Trägerin mit der Arbeit begonnen, hat eine Gruppe blinder Seher erfunden und eine Gruppe blinder Könige, hat dabei an Figuren aus der "Muppet Show" gedacht, an "Miss Piggy" und "Kermit, den Frosch", lauter arglose Puppen, uramerikanisch, die Witze machen und nicht ganz von dieser Welt sind. Blind und blutend sollen sie auf der Bühne stehen. Oder wenigstens so ähnlich.

Ende Oktober soll das Stück am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg uraufgeführt werden, das Schauspiel Frankfurt am Main will nachziehen. Doch bereits im März waren Ausschnitte aus "Am Königsweg" bei einer Lesung in New York zu erleben. Und der Bayerische Rundfunk hat nun eine Hörspielfassung erstellt, die am Wochenende ihre Ursendung erleben wird. Zunächst strahlt der Sender Bayern 2 eine komprimierte Fassung aus, dann in drei Teilen die Langversion von fünfeinhalb Stunden. Regie führte Karl Bruckmaier, der schwedische Komponist Sven-Åke Johansson und der US-Musiker Elliott Sharp sorgen klanglich für die Verortung in Amerika. Da geht dann mal eine Trommel wie im Unabhängigkeitskrieg oder der Chor des Bayerischen Rundfunks singt Händel als ironischen Kommentar zu Trumps Inaugurationsfeier. Die Sprecher sind erstklassig, sie machen die Textfläche transparent. Dazu gibt das aufwändige Musikkonzept dieser Produktion jedem Hörspielteil eine eigene Färbung.

Wie bei den meisten Jelinek-Arbeiten ist es ein Gewinn, dem Text gesprochen zu begegnen, zerlegt in seine Vielstimmigkeit, zu Raum und Gestalt geworden. Jelinek rackert. Sie nähert sich Trump von immer neuer Seite, beschreibt ihn, attackiert ihn, dreht sich die Worte im Mund herum, um zu fassen, was sie für unfassbar hält. Manchmal spricht sie den Zuhörer direkt an, manchmal stellt sie sich selbst in die Menge derer, die bestürzt auf Trump blicken, versuchen, mit ihm fertig zu werden: "Er redet uns ein, wir hätten schon vorher gedacht wie er, der nie denkt", heißt es dann.

Trump und das Geld, Trump und sein Turm, Trump und die Frauen, Trump und sein Clan könnten die Szenen dieses Stücks überschrieben sein. Doch Jelinek schreibt natürlich ohne Unterbrechung, ohne Luft zu holen. Sie hat alles in sich aufgesogen, was man über Trump weiß und ahnt, was man juristisch prüft und munkelt. Sie hat sich das angetan. Und dann hat sie nach dem Zeitlosen gesucht, dem zeitlos Bedrohlichen in dieser Figur.

Vielleicht ist Jelinek eine der Letzten, die doch noch hofft, der Mensch könne lernen aus der Geschichte, aus den barbarischen Erfahrungen der Vergangenheit. Jedenfalls versucht sie mit ihren Variationen über Trump die Sinne zu schärfen, die Sensoren zu sensibilisieren, die Gefahr abzuschätzen, die von einem ungezähmten Machtmenschen wie ihm droht. Und natürlich hat sie Tragödienstoffe im Kopf, die ihr als Filter dienen, um die Gegenwart besser zu erkennen. Doch sie übertreibt es nicht mit der Anwendung von Sophokles oder Freud auf die Gegenwart. Das überlässt sie den Regisseuren und Dramaturgen, die sich an diesem Stoff abarbeiten werden. Jelinek versteht sich als "Sprüchesängerin" und "Sprücheklopferin, passen Sie auf, sonst trifft Sie das noch, was ich vorhin abgeklopft habe, damit diese schöne Statue entsteht, statt mit Vorschlaghämmern ruiniert zu werden."

Immer wieder kommt Jelinek auf das Thema Gewalt zurück. Gewalt in Trumps Denken, Sprache, Handeln. Aber auch auf die Gewalt der anderen. Die versteckte Aggression, die bereits in einer Gesellschaft schlummern muss, wenn die sich entscheidet, einen Rüpel zum Präsidenten zu wählen. Und natürlich lässt sie der Trump-Clan nicht los, die Leute, die da plötzlich aufgezogen sind in der Öffentlichkeit und diesen Präsidenten umringen und ihm zuarbeiten. Nur mit Sarkasmus kann Jelinek über Trumps Frauen schreiben: " . . . a lso die mit diesen Beinen, nur die eine, die gehörte aber schon ihm, ihm allein, die hat er ausgewählt, sie wohnt im Turm und steht nicht im Sturm, so groß ist sie auch wieder nicht, nicht einmal als Model."

Das alles führt nicht weiter, aber es erhellt. Es erzählt nichts Neues, eher etwas Uraltes, das sich in diesen Tagen wiederholt. Das ist das Entlarvende und das Erschreckende. Jelinek hat eine Textflächentragödie über einen Immobilienkönig geschrieben - mit offenem Ende. Das überlässt sie der Wirklichkeit.

(dok)
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