Jojo Moyes "Ich habe mir einen Massagestuhl gegönnt"

Die 46-jährige Bestsellerautorin spricht über die Verfilmung ihres Romans "Ein ganzes halbes Jahr" und verrät, wie sie sich belohnt.

Berlin Sie steht mit ihrem neuen Buch "Über uns der Himmel" auf Platz eins der "Spiegel"-Bestsellerliste, und die Verfilmung ihres Roman-Hits "Ein ganzes halbes Jahr" von 2013 wurde soeben vom Film "Ice Age" von der Spitze der Kino-Charts gedrängt. Die britische Autorin Jojo Moyes hat hierzulande sieben Millionen Bücher verkauft, besonders beliebt ist "Ein ganzes halbes Jahr". Darin geht es um einen lebensmüden Rollstuhlfahrer und seine Aushilfspflegerin. Im Zentrum der Handlung steht die immer wieder heiß umstrittene Frage: Wann ist das Leben lebenswert? Wir trafen die 46-Jährige in einem Boutique-Hotel in Berlin, eine blonde, sympathische Frau in schwarzer Jeans und schwarz-weißem T-Shirt, die sich fröhlich lächelnd vorstellt: "Hello, ich bin Jojo!". Sie trinkt Tee und fragt, ob man auch einen möchte.

Wie ist das, wenn der erfolgreichste Roman auf der Leinwand ein Eigenleben führt?

Jojo Moyes Ich war schon etwas nervös, wie der Film hier aufgenommen wird. Denn Deutschland ist mein größter Markt.

Warum ist Deutschland Ihnen so wichtig?

Moyes Deutschland ist für mich ein Phänomen. Ich kann's mir immer noch nicht genau erklären, warum meine Romane hier von Anfang an so gut angekommen sind. Vielleicht gefällt es den Deutschen, dass bei mir Gefühle nicht nur eindimensional sind. Ich verknüpfe Liebe mit Humor und Melancholie.

Aus der Bestseller- ist eine Drehbuchautorin geworden. Wie kam es dazu, dass Sie selbst "Ein ganzes halbes Jahr" in ein Skript verwandelt haben?

Moyes Das hatte ich eigentlich nie vor. Denn ich wusste, es ist der Albtraum eines jeden Studios, wenn Romanautoren ihre Werke selbst umarbeiten. Aber dann fragte mich die Produzentin, ob ich mir vorstellen könnte, das Drehbuch zu schreiben. Ich dachte, sie macht Witze. Und dann: Wenn's schief geht, bleibt noch Zeit genug, um es von einem Profi umschreiben zu lassen. Aber es hat geklappt.

Mit dem Verkauf der Filmrechte haben Sie Ihr erfolgreichstes Buch-Baby ja quasi zur Adoption freigegeben. Mit dem Drehbuch haben Sie sich aber dann ja doch wieder höchst persönlich um Ihr Baby kümmern können.

Moyes Genau! Die Regisseurin Thea Sharrock und ich haben uns das Sorgerecht geteilt. Ich wurde in alle Entscheidungen einbezogen.

Waren Sie auf Anhieb mit der Besetzung einverstanden, mit Sam Claflin als dem smarten Zyniker Will und Emilia Clark als liebenswert-tollpatschiger Lou?

Moyes Ich habe nie eine Vorstellung davon, wie meine Figuren aussehen. Ich kenne sie ja von innen, nicht von außen. Ich wollte aber nicht, dass ein überirdisches Glamour-Hollywood-Wesen die Lou verkörpert. Bei Emilia war ich auch erst skeptisch, ich kannte sie nur aus "Game of Thrones". Aber dann sah ich, wie viel sie mit Lou gemeinsam hat: Sie ist warmherzig, witzig und auch etwas schrullig. Von Sam Claflin sah ich nur eine Probeszene auf meinem Laptop und war 20 Minuten später in Tränen aufgelöst. Vormittags! In einem Café in Paris! Ich schrieb Thea sofort: "Der ist es!".

Warum haben Sie sich für den Hintergrund dieser Lovestory ausgerechnet so eine Kontroverse wie Sterbehilfe ausgesucht? Der gelähmte Will möchte sein Leben beenden, Lou will ihn umstimmen.

Moyes Weil ich selbst betroffen war. Ich hatte in meiner Familie 2008 und 2009 plötzlich zwei Pflegefälle, die Rundum-Betreuung brauchten. Also haben wir uns viel damit beschäftigt, wie man die Lebensqualität von Kranken verbessern kann, ohne ihnen die Freude und Würde zu nehmen. Das war eine schwierige Zeit und eine sehr emotionale Debatte mit immer neuen Facetten. Zeitgleich erfuhr ich vom Fall eines gelähmten Rugby-Spielers, der seine Eltern so weit hatte, ihn zu Dignitas in die Schweiz zum Sterben zu bringen. Er war so jung, erst Mitte 20. Das ließ mich nicht los, warum er sterben wollte und wieso seine Eltern diesem Wunsch zustimmten. Daher habe ich alles gelesen, was ich finden konnte.

Da übernahm also die frühere Journalistin das Ruder.

Moyes Ja, und je mehr ich las, desto mehr realisierte ich, dass es auf diese Frage keine richtigen und falschen Antworten gibt. Ein Freund im Rollstuhl sagte mir, dass keiner sich traut, diese heikle Frage anzusprechen. Das alles hat in mir gearbeitet. Ich habe mich gefragt, was passiert, wenn jemand sich weigert, sich den neuen Umständen anzupassen? Wie reagiert eine Familie? Wie die Frau, die ihn liebt?

Sterbehilfe ist sowohl in England als auch Deutschland rechtlich untersagt. Wer die Hilfe von "Dignitas" in Anspruch nehmen will, muss in die Schweiz reisen.

Moyes Die Rechtslage ist bis heute unverändert, das Dilemma nach wie vor aktuell. Ich finde das Thema so wichtig, dass man es auch in einem Frauenroman ansprechen sollte. Mein Verlag war wenig begeistert. Verstehe ich auch: Meine vorigen acht Romane hatten sich bis dahin nicht sonderlich gut verkauft, und sie bezweifelten, dass dieses Thema das ändert. Also habe ich mir einen neuen Verlag gesucht. Und wir wurden alle eines Besseren belehrt.

Haben Sie sich nach dem Verkaufserfolg von 2,5 Millionen Exemplaren mal etwas besonders Extravagantes gegönnt?

Moyes Ja - einen Massagestuhl. Als Schriftstellerin sitzt du doch immer am Computer, und auf dem Land sind Masseure rar. Also habe ich mir vor dreieinhalb Jahren einen japanischen Hightech-Stuhl gegönnt, mit Daumen- und sogar Reiki-Funktion! Er ist die beste Investition überhaupt. Selbst meine Kids lieben ihn. Er ist potthässlich, aber wenn unser Haus abbrennen würde, würde ich ihn gleich nach meiner Familie aus den Flammen retten.

(RP)
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