Düsseldorf Harry Potter ist erwachsen geworden

Düsseldorf · 19 Jahre nach Erscheinen des ersten Bandes gibt es eine Fortsetzung der Saga. Der frühere Zauberlehrling ist jetzt Vater. Auch seine Freunde haben sich verändert. Das Buch zum neuen Potter-Theaterstück ist bereits ein Bestseller.

Die Harry-Potter-Reihe ist nicht nur ein Kinderbuchklassiker. Vor allem die in den Neunzigerjahren geborene Generation wird von Joanne K. Rowlings Büchern durch das Leben begleitet. Die Leser haben den Zauberlehrling Harry Potter als Kind kennengelernt und waren dabei, als er gegen den dunklen Zauberer Lord Voldemort siegte. Nun ist der achte Band "Harry Potter and the Cursed Child" ("Harry Potter und das verwunschene Kind") erschienen. Die Buchversion spielt 19 Jahre nach dem siebten Band und ist das Skript des gleichnamigen Theaterstücks, das zurzeit im Londoner Palace Theatre aufgeführt wird. Die Buchausgabe steht auf Platz drei der "Spiegel"-Bestsellerliste, obwohl die deutsche Übersetzung erst am 24. September (Carlsen Verlag) erscheinen wird. Zwar werden echte "Potterheads", also Fans der Reihe, einige logische Schwächen finden. Trotzdem ist es wie bei den Büchern zuvor: Man möchte es mit einer Taschenlampe im Bett innerhalb einer Nacht lesen.

Die erste schlechte Nachricht vorab: Der Name Joanne K. Rowling steht in fetten Lettern auf dem Cover, doch geschrieben hat das Skript Drehbuchautor Jack Thorne. Beim Lesen fällt das auf jeder Seite auf. Es ist dennoch wie ein Wiedersehen mit alten Freunden aus der Kindheit - allein der Ton und die Themen haben sich verändert, denn die Kindheitshelden sind erwachsen geworden. Wir lernen Harry Potter als 37-jährigen Familienvater und Leiter der "Abteilung für Magische Strafverfolgung" des Zaubereiministeriums kennen. Getragen wird die Handlung von den Problemen seines Sohnes Albus Potter. Der versucht, mit den Erwartungen daran zurechtzukommen, dass er der Sohn des berühmten Harry Potter ist. "The Cursed Child" handelt von Albus' Reise in die Vergangenheit, die er mit seinem besten Freund Scorpius Malfoy unternimmt.

Wer seit "Harry Potter und der Stein der Weisen" (1997) in den Bann der Zauberwelt geraten ist, weil er Joanne K. Rowling als literarisches Mastermind bewundert, der wird ob der Sprache eher enttäuscht sein. Die Handlung ist fad. Sie zehrt von der fantastischen Welt, die Rowling einst erschaffen hat - und versucht weitestgehend, dieser Welt treu zu bleiben. Einige Regeln aber werden missachtet. Da reist Albus Potter beispielsweise Jahrzehnte in der Zeit zurück, obwohl "Zeitumkehrer" bis dato nur stundenweise funktionierten. Trivial mutet der Höhepunkt im dritten der vier Akte an, als das Geheimnis um das "verwunschene Kind" gelüftet wird. Es soll an dieser Stelle ein Geheimnis bleiben.

Die Charakterzüge von Harry, Ron und Hermine sind geblieben. Die Dialoge handeln nun aber von Elternschaft und Arbeit. Während diese Passagen eher kühl wirken und von Theateranweisungen begleitet werden, bietet das Buch aber in zweierlei Hinsicht einen Mehrwert. Zum einen erhält der Leser Einsicht in das Innere der Gegenspieler Draco Malfoy oder Lord Voldemort. Noch erhellender sind die Passagen, in denen alte Bekannte auftreten, wie der ehemalige Schulleiter Albus Dumbledore. Ähnlich zentral wie die Beziehung zwischen Luke Skywalker und Darth Vader in "Star Wars" ist das Geflecht zwischen Harry und seinem Ziehvater Dumbledore. Szenen mit diesen beiden Protagonisten sind die einzigen Textpassagen, deren Tiefe und Emotionalität an J. K. Rowlings Erzählweise erinnern. Dumbledore sagt Sätze wie "I couldn't see that you needed to hear that I loved you" (Ich verkannte, dass du hören wolltest, dass ich dich geliebt habe) oder "Perfection is beyond the reach of mankind, beyond the reach of magic" (Perfektion liegt außerhalb der menschlichen Reichweite, außerhalb der Reichweite von Magie). So wird das Lesen selbst zur Reise in die Vergangenheit, an Orte wie Hogwarts oder Godric's Hollow - das Dorf, in dem Harry geboren und zum Waisen wurde.

Enttäuscht sein heißt, dass Erwartungen unerfüllt geblieben sind. "Potterheads" sollten von dem 327-seitigen Theaterskript nicht erwarten, dass es einen Rowling-Roman ersetzen könnte. Doch es erzählt immer noch eine Harry-Potter-Geschichte. Und was die ausmacht, sind die Figuren und deren Beziehung, mit all diesen Themen wie Liebe, Loyalität, Schmerz und Hass.

(ball)
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