Düsseldorf Gorillaz: Keine Comicband mehr

Düsseldorf · In Düsseldorf versteckten sich die Musiker nicht mehr hinter Kunstfiguren.

"It's not rael" steht auf dem Fan-T-Shirt der Gorillaz. Der Buchstabendreher ist Absicht. Etwas Wahnsinn gehörte von Anfang an dazu. Ende der 90er Jahre haben sich Blur-Frontmann Damon Albarn und der Zeichner Jamie Hewlett ("Tank Girl") die Comicband Gorillaz ausgedacht - als ehrlichste Antwort auf eine Welt, in der nichts mehr echt ist. Live verschwanden die Musiker früher wortwörtlich hinter ihren Alter Egos, hinter einem Vorhang nämlich. 19 Jahre später ist von der Idee nicht viel übrig geblieben. Auf der Tour zum fünften Album "Humanz" stehen ganz reale Menschen auf der Bühne. Die fiktiven Comicfiguren wurden zu Hintergrundbildern degradiert.

Die Gorillaz sind ein Wanderzirkus mit zwei Schlagzeugern, zwei Keyboardern, einem Bassisten, einem Gitarristen, sechs Backroundsängern und Damon Albarn als Zeremonienmeister. Die Bühne sah aus wie ein Instrumentenlager. Giftiger grüner Nebel schoss aus dem Boden, dann ertönte ein Schrei, gefolgt von der Frage: "Hello, is anyone there?" Und 7500 Fans in der ausverkauften Mitsubishi-Electric-Halle in Düsseldorf rasteten aus. Gleich der erste Song "M1 A1" rockte los wie zu Britpop-Zeiten. Doch spannender war die Frage, ob es den Gorillaz gelingen sollte, die 20 doch sehr unterschiedlichen Songs ihres aktuellen Albums, fast jeder mit einem anderen Gastsänger bestückt, harmonisch auf die Bühne zu transferieren. Es gelang ihnen nicht ganz. Einige Sänger wurden per Video eingespielt, so wie Popcaan bei "Saturn Barz". Andere gaben sich sehr wohl live die Ehre, darunter die gut gelaunten Rapper von De La Soul, Queer-Rapper Zebra Katz im silbernen Overall, Soul-Sänger Peven Everett mit rot leuchtenden Sneakersohlen oder die vorlaute Rapperin Little Simz, die auch den Support besorgte. Kaum war der eine weg, ging der nächste Song los. Die Band gönnte sich und dem Publikum keine Pause - wie bei einer Nummernrevue.

Der Sound in der Halle war ausgezeichnet, die Beats waren markerschütternd, die Stimmen sauber ausgesteuert, die Songs aus alten Hits und neuen Stücken clever ausgewählt, nur der visuelle Coup blieb aus. Stattdessen bekamen die Fans den realen Damon Albarn zu Gesicht, den schwitzenden, abwesend wirkenden Mastermind, der nächstes Jahr 50 wird. Manchmal blitzte der alte Lausbubencharme auf. Ansonsten wirkte er seltsam entrückt. Am Ende gönnte er sich noch ein Bad in der Menge. Schüttelte Hände. Klatschte ab. Ließ sich fotografieren. "Düsseldorf, gute Nacht", sagte er. Er sah müde aus.

(webe)
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