Elmau Schloss Elmau - der deutsche Zauberberg

Elmau · Der G-7-Gipfel tagt in 1000 Meter Höhe in einem Haus, das einst moralisches Sanatorium sein wollte.

G7-Gipfel auf Schloss Elmau - Bilder vom Luxus-Hotel
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Schloss Elmau – Herberge des G7-Gipfels in Bayern

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Richtung Süden ist Klais das Letzte. Genauer: die letzte deutsche Bahnstation vor der Grenze. Dahinter gibt es noch eine Gaststätte mit dem handelsüblichen Namen "Zur Post" und weiter oben - fast schon in Österreich und eingerahmt vom schroffen Wettersteingebirge - die Elmau. Ab Sonntag soll das gut 1000 Meter hohe Tal sogar der Gipfel sein: für die Mächtigen der Welt.

Das wird die Elmau mit ihrem Schloss kaum jucken, weil nichts den Geist dieses Fleckens weniger zu beschreiben vermag als "Tagungsort". Als eine Art moralisches Sanatorium wollte Johannes Müller das Schloss verstanden wissen, fernab der Zivilisation und von "allem äußeren Macht- und Sinnenkultus abgekehrt". Müller hatte das Schloss seiner Ideen zwischen 1914 und 1916 erbauen lassen. Mitten im Massenmorden des Ersten Weltkriegs wollte er einen "Freiraum des persönlichen und gemeinschaftlichen Lebens" schaffen. Johannes Müller war Theologe und Philosoph mit sehr eigenen und vielleicht auch kauzigen Gedanken. So war er erklärter Gegner nicht nur des westlichen Kapitalismus, sondern auch des östlichen Kommunismus. Alles, was irgendwie nach "Vergottung des Menschen durch den Menschen" roch, lehnte er ab. Dies brachte Müller nach 1933 fatalerweise in die Nähe Adolf Hitlers; ausgerechnet im Diktator sah er einen schicksalhaften gesandten Führer. Zugleich verurteilte Müller den Antisemitismus scharf, eine Haltung, die ihm fast eine KZ-Haft eingebracht hätte.

In den finsteren Jahren wurde das riesige Haus Fronterholungsheim für die Wehrmacht, Gefangenenlager und Winterkampfschule. Erst 1952 war es wieder ein Hotel, das vielleicht sonderbarste der jungen Bundesrepublik. Der Bildung und Erbauung sollte es dienen.

Bis zum großen Hotelbrand im Jahr 2005 waren Fernseher verpönt und Gesellschaftstänze an der Tagesordnung. Bei Walzer und Quadrille glaubte Müller das humane Prinzip eines wechselseitigen Gebens und Empfangens erkannt zu haben. Die Elmau ist aber auch ein Gipfel der Kammermusik und des Jazz. US-Pianist Brad Mehldau benannte eine ziemlich beschwingte Komposition nach Hochtal und Schloss.

Wer Schloss Elmau je besuchte, wird sich vermutlich noch heute an den Zauberberg erinnert fühlen, auch wenn es nach dem Brand als "Luxury Spa & Cultural Hideaway" ausgebaut wurde. In der Elmau haben hohe Geister bisweilen nach noch Höherem Ausschau gehalten. Die Gruppe 47 hat mit Ingeborg Bachmann 1957 dort getagt; und der Philosoph Peter Sloterdijk hielt dort 1999 seine berühmte wie berüchtigte Rede über "Regeln für den Menschenpark", die mit ihren Thesen vom gentechnisch aufgerüsteten Menschen für einige Wochen die Zunft unserer Denker auf Trab hielt. Folgerichtig logierten und debattierten hernach auch die Mitglieder des Ethikrates an dem Ort.

Nun kommen also die großen Staatsmänner und -frauen. Ein weiterer Gipfel nur inmitten vieler anderer Gipfel. Vielleicht macht es die Mächtigen aber auch bescheidener, weil dort, im ökologisch noch intakten Gebirgstal der Alpen, die Erkenntnis obsiegt, dass längst nicht alles in Menschenhand liegt.

(RP)
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