"Son of Saul" zeigt das Grauen der NS-Todesmaschinerie

Mehr als 70 Jahre nach Kriegsende hat man viele Facetten der Nazi-Gräuel gesehen - aber nicht alle, wie der Film "Son of Saul" nun zeigt. Denn das Werk des Ungarn Laszló Nemes offenbart neue, erschreckende Einblicke in die Hölle der NS-Todesmaschinerie. Zu Recht gab es dafür den Oscar für den besten nicht-englischsprachigen Film.

Das, was Regisseur Nemes da in seinem bemerkenswerten Debüt auf die Leinwand bringt, bricht gleich in mehrfacher Hinsicht mit den Sehgewohnheiten. Schließlich stehen bei "Son of Saul", das im einstigen deutschen Vernichtungslager Auschwitz angesiedelt ist, nicht die Verbrechen rund um die Gaskammern im Mittelpunkt. Stattdessen werden sie verwoben mit der Geschichte des Insassen Saul, der verzweifelt versucht, seinen toten Sohn vor der Verbrennung zu retten und ihn beerdigen zu lassen.

Saul arbeitet im Sondereinsatzkommando an den Gaskammern, sortiert die Kleidung, schleppt die Leichen zu den Öfen, schaufelt die Asche in einen See. Das alles filmt Nemes, der einst Assistent bei der ungarischen Regielegende Béla Tarr war, aber meist unscharf; denn sein Fokus liegt auf Saul. Die Kamera bleibt immer nah am Vater, rennt mit ihm durch das Lager, die Baracken, stets auf der Suche nach einem Rabbi für die Beerdigung. Die Tonspur dröhnt unermüdlich, während Nemes fast beiläufig einen Einblick in den Massenmord und das wie eine Fabrik funktionierende Konzentrationslager gibt - ohne dabei aber an Schrecken zu verlieren.

Inszeniert im quadratischen 1:1-Format, das die Kinoleinwand lange nicht ausfüllt, wird die klaustrophobische Enge innerhalb dieser Todesmaschinerie spürbar. Wer sich auf die drastischen Bilder einlässt, wird sie nicht mehr vergessen.

Son of Saul, Ungarn 2015 - Regie: László Nemes, mit Géza Röhrig, 107 Min.

(RP)
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