Reise in die Grauzone

Eine neue Dokumentation nähert sich den Menschen in Nordkorea.

Sung-Hyung Cho ist in Südkorea aufgewachsen. Damals wurde der Norden in Schulbüchern verteufelt. Jetzt hat sich die seit vielen Jahren bei Frankfurt lebende Filmemacherin schweren Herzens von ihrem alten Pass getrennt, um sich mit Hilfe ihres neuen deutschen Dokuments in das unbekannte Nordkorea aufzumachen. "Meine Brüder und Schwestern im Norden" heißt die dokumentarische Annäherung an die abgeschottete Diktatur.

Cho hat dort als erste gebürtige Südkoreanerin offiziell gedreht. Schon die ersten Bilder vom heiligen Berg der Nordkoreaner, auf dem sich die Soldaten mit ihr fotografieren lassen wollen, vermitteln ungewohnte Eindrücke. Das setzt sich fort beim Besuch einer Bauernkommune, einer Textilfabrik, im gigantischen neuen "Wasservergnügungsbad" im vom Regime herausgeputzten Pjöngjang sowie bei einem Angestellten zu Hause. Nordkorea wird vor allem mit seinem martialischen Führer Kim Jong Un und dessen aggressiver Politik assoziiert. Doch Cho, die durch ihren preisgekrönten Film "Full Metal Village" (2006) über das Hardrockfestival in Wacken bekannt wurde, interessiert sich für den Alltag. Mit ihrer offenen Art gelingt es ihr, hinter der Maske der Uniformierten das Menschliche sichtbar werden zu lassen Eine 26-jährige Offizierin entpuppt sich als scheu-lächelndes Mädchen, das gerne heiraten will. Eine für Akkordleistungen prämierte Zuschneiderin träumt davon, als Designerin Kleider zu entwerfen, die unter Umgehung der Sanktionen in den Export gehen. Die Politik klammert die Filmemacherin in ihren Gesprächen bewusst aus. Dies führte dazu, dass ihn weder die Berlinale noch große amerikanische Festivals zeigen wollten. Dafür begegnet Cho im Film den Menschen - die jedoch gemeinsam mit den nordkoreanischen Behörden ausgesucht wurden - mit Respekt. Und schafft so neue Einblicke in eine der letzten globalen Grauzonen.

Meine Brüder und Schwestern im Norden, Regie: Sung-Hyung Cho, Deutschland 2016, 106 Minuten

(dpa)
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