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Paris, du kannst so grausam sein

In dem Drama "Meine schöne innere Sonne" irrt Juliette Binoche durch eine lieblose Welt.

In den ersten Minuten dieses sehr eigensinnigen Films erlebt man eine der quälendsten Sexszenen der europäischen Filmgeschichte, und danach wird es auch nicht fröhlicher. Der Mann, dessen Körperlichkeit die Malerin Isabelle hier weniger genießt denn bewältigt, ist Bankier und wird später mit ihr in einer Bar stehen. Er demütigt im Vorübergehen den Kellner, er hat sichtlich Spaß daran, und als Isabelle ihn fragt, was ihn am Leben eigentlich interessiere, antwortet er: "die schönen Dinge". Dabei schiebt er seine Hand unter ihren Pullover.

"Meine schöne innere Sonne" heißt die neue Produktion der 71 Jahre alten französischen Regisseurin Claire Denis, die so tolle Filme wie "Ich kann nicht schlafen" und "35 Rum" gedreht hat. Sie wollte sich ursprünglich an einem Omnibus-Film beteiligen, für den mehrere Kollegen die "Fragmente einer Sprache der Liebe" von Roland Barthes adaptieren sollten. Denis und ihre Drehbuchautorin, die Schriftstellerin Christine Angot ("Inzest"), machten sich gewissermaßen selbstständig, und das Ergebnis wirkt ein bisschen so, als seien sie in Barthes' enzyklopädieartig aufgebautem Buch nicht weiter als bis zum Eintrag "Agonie" gekommen.

Juliette Binoche spielt die Isabelle, und die ist zwar Malerin, aber man sieht fast nie ihre Kunst, und sie ist auch Mutter, aber ihre Tochter taucht nur einmal kurz auf - da ist der Film bereits 70 Minuten alt. Isabelle begegnet mehreren Männern, alle sind auf ihre je eigene Weise ziemlich schlimm, und wenn Isabelle zwischendrin Selbstgespräche über die Liebe führt oder mit Freundinnen über die Liebe spricht, mutet das an, als sei sie nur zu Gast im Land der Gefühle. Ihr Touristenvisum läuft bald ab, Isabelle lebt neben ihren Worten her.

Roland Barthes beschreibt die Angst des Liebenden als Furcht vor einer Trauer, die bereits stattgefunden hat, und tatsächlich zieht Isabelle eine Schleifspur der Leiden, und Verletzungen hinter sich her. Das Bett, das Café und die Tanzfläche sind die Orte, an denen sie am Leben verzweifelt. Paris ist ein Bermuda-Dreieck, in dem sie aus dem Blues in die Depression gezogen wird. Die Männer und die Frauen, denkt man bald, sie passen einfach nicht zusammen, der siebte Himmel ist bloß ein Oberjammergau.

Irgendwann bekommt man das Bedürfnis, diese Isabelle zu schütteln und ihr zu sagen, dass sie doch einfach mal zur Ruhe kommen solle, bitte: Alleinsein kann hilfreich sein. Aber sie wirft sich aufs Neue ins Unglück, und kaum auszuhalten ist die Szene im Auto des selbstgefälligen Schauspielers, der eigentlich nicht mit hochkommen möchte in ihre Wohnung, es am Ende aber doch tut, weil das weniger aufwendig ist als sich aus dieser Situation zu lösen.

Juliette Binoche spielt das großartig, sie changiert zwischen Verzweiflung und Tragikomik, und manchmal kommt sie einem vor wie eine Amélie, die aus den rosa Wolken ihrer fabelhaften Welt gefallen ist. Isabelle sucht am Ende keinen Trost mehr, sondern bloß noch Solidarität in ihrer Trostlosigkeit, und dann taucht zum Glück Gerard Depardieu auf. Er ist Wahrsager, er lässt das Pendel kreisen über Bildern von Isabelles Liebhabern. Er hält einen 15-minütigen Monolog, der ganz und gar unglaublich ist, zutiefst französisch, nur von Depardieu aufzusagen und zugleich total schön und völlig gaga. Die Quintessenz dieser Suada ist die des Films: An das höchste Gute zu glauben, ist verrückt.

Meine schöne innere Sonne, Frankreich, Belgien 2017 - Regie: Claire Denis mit Juliette Binoche, Xavier Beauvois, Valerie Bruni-Tedeschi, Gérard Depardieu, 94 Min.

(hols)
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