Wirbel um "Weiße Oscars" Stars boykottieren Oscar-Verleihung

Los Angeles · Die Oscars sind zu weiß - und damit ein rotes Tuch, nicht nur für schwarze Stars. Wieder sind alle Kandidaten in den Schauspielkategorien Weiße, Afroamerikaner haben in Hollywood das Nachsehen. Die Kritik wächst.

Stars überlegen, Oscar-Awards-Verleihung 2016 zu boykottieren
Foto: dpa, gcc-hh ase

"Black is beautiful" war der Tenor der 74. Oscar-Verleihung mit einem dreifachen Triumph schwarzer Stars: Als erste Afroamerikanerin überhaupt gewann damals Halle Berry ("Monster's Ball") den Oscar als beste Hauptdarstellerin. Denzel Washington wurde als bester männlicher Schauspieler gefeiert, Alt-Star Sidney Poitier für sein Lebenswerk mit einem Ehren-Oscar ausgezeichnet. Doch das ist 14 Jahre her.

Bei der diesjährigen Oscar-Verleihung Ende Februar wird sich kein schwarzer Darsteller einen Preis abholen. Denn zum zweiten Mal in Folge wurden 20 weiße und überhaupt keine afroamerikanischen Schauspieler nominiert.

Halle Berry, die sich damals unter Tränen bedankte, glaubte noch: "Die heutige Nacht hat eine Tür aufgestoßen." Doch davon ist nicht viel geblieben, die Filmakademie ist mehr denn je unter Beschuss. Unter dem Twitter-Hashtag #OscarsSoWhite wächst die Entrüstung. Schwarze und weiße Stars - wie George Clooney, Michael Moore, Spike Lee und Lupita Nyong'o - melden sich zu Wort.

Regisseur und Darsteller Lee (58, "Malcolm X", "Do the Right Thing" ) bekräftigte in einem Interview mit dem Sender ABC, dass er und seine Frau nicht zur Oscar-Show gehen würden. Dies sei aber kein Aufruf zu einem Boykott der Preisgala, erläuterte Lee.

Im vorigen November hatte der schwarze Star von der Filmakademie einen Ehren-Oscar erhalten - und sich bei der Gala heftig über eine Unterrepräsentanz von Schwarzen in Hollywood beklagt. "Es ist einfacher, Schwarzer Präsident der USA als Präsident eines Studios zu werden." Auch Jada Pinkett Smith (44) will aus Protest fernbleiben und die Show auch nicht im Fernsehen anschauen. "Um Anerkennung zu betteln oder auch nur darum zu bitten, mindert Würde und Macht", sagte die Schauspielerin und Ehefrau von Will Smith (47) in einem Facebook-Video.

Smith gab seiner Frau Rückendeckung - auch er werde die Show boykottieren, sagte er dem US-Sender ABC. "Wir gehören dieser Community an, aber zu diesem Zeitpunkt fühlen wir uns nicht wohl damit, dort zu stehen und zu sagen, dass dies in Ordnung ist." Smith war für seine Rolle in dem Drama "Concussion" (deutscher Titel: "Erschütternde Wahrheit") als Oscar-Kandidat gehandelt und dann übergangen worden. Er mache sich Sorgen über eine "rückläufige Bewegung zu Separatismus und zu rassistischer und religiöser Disharmonie", sagte Smith. Dies sei nicht das Hollywood und das Amerika, das er hinterlassen möchte.

Der Ausschluss schwarzer Schauspieler sei "einfach verrückt", wetterte der Oscar-Preisträger Michael Moore (61, "Bowling for Colombine"). Er wolle die Show boykottieren, sich als "stolzes" Academy-Mitglied aber weiter für eine Stärkung der Vielfalt und für einen Wandel in dem Verband einsetzen.

Oscar-Preisträger George Clooney (54) klagte im Interview der Filmzeitschrift "Variety" ebenfalls über die gegenwärtige Praxis. Auch Latinos und Frauen seien davon betroffen. Vor zehn Jahren habe es mehr Nominierungen für Schwarze gegeben, etwa für Don Cheadle und Morgan Freeman. "Wir gehen in die falsche Richtung", sagte Clooney. "Wir müssen das besser machen. Wir waren schon mal besser."

Die schwarze Oscar-Preisträgerin Lupita Nyong'o (32, "12 Years a Slave" tat ihren Frust auf Instagram kund. "Ich stimme meinen Kollegen zu, die zu einem Wandel aufrufen", schrieb die Kenianerin.

Der Oscar-Akademie gehören rund 7000 Mitglieder an - 94 Prozent seien weiß, 77 Prozent männlich, das Durchschnittsalter liege bei 62 Jahren, ermittelte die "Los Angeles Times". Die Vorsitzende Cheryl Boone Isaacs, eine Afroamerikanerin, setzt sich schon länger für eine größere Vielfalt ein. Natürlich sei sie über die rein weißen Nominierungen "untröstlich und frustriert", sagte Isaacs.

Den Vorwurf des Rassismus will die Akademie aber nicht an sich hängen lassen. Sie habe für eine Reihe von schwarzen Schauspielern gestimmt und bedaure es, dass keiner nominiert wurde, sagte Akademie-Mitglied und Schauspielerin Penelope Ann Miller (52, "The Artist") dem "Hollywood Reporter". "Aber zu unterstellen, dass wir alle Rassisten sind, ist sehr beleidigend."

Schon im vergangenen Jahr durften schwarze Schauspieler bei der Oscar-Gala nur Preise überreichen, aber keinen entgegennehmen. "Heute ehren wir Hollywoods Weißeste, äh, Entschuldigung, Hellste", hatte Moderator Neil Patrick Harris gleich zu Beginn der Show sarkastisch bemerkt.

Bei der 88. Oscar-Verleihung am 28. Februar könnte es noch bissiger werden, wenn der schwarze Komiker Chris Rock als Gastgeber auf der Bühne steht. Zuletzt lieferte er mit der derben Komödie "Top Five" einen zynischen Blick hinter die Fassaden des Showbiz, eine Darstellung des Lebens als schwarzer Entertainer.

Könnte Rock am Ende aus Protest abspringen? Dazu gibt es schon Aufrufe, unter anderem von US-Rapper und Schauspieler 50 Cent (40, "Southpaw"). "Chris, bitte mach die Oscar-Preise nicht. Du bist wichtig, Mann, tue es nicht", schrieb der Afroamerikaner auf Instagram. Andere sehen es als große Chance, dass Rock bei der Zeremonie richtig Druck macht.

So wie es einst Eddie Murphy tat, 1988, frisch nach seinem Erfolg mit "Beverly Hills Cop 2". Der schwarze Komiker sollte bei der Show den Top-Preis für den besten Film überreichen. Er nutzte das Rampenlicht für scharfe Kritik an der Branche. Er habe eigentlich gar nicht kommen wollen, denn die Academy übergehe Schwarze meist, frotzelte der junge Murphy.

(dpa)
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