Film "Cheri" Michelle Pfeiffer lehrt das Lieben

Düsseldorf (RP). In "Cheri" erzählt der britische Regisseur Stephen Frears von einer Kurtisane, die einem Jüngling das Leben und die Liebe beibringen soll und dabei selbst entdeckt, was sie im Leben verpasste. Michelle Pfeiffer überzeugt als elegante Lehrmeisterin, die dem Alter durch Anmut trotzt.

Ach, das Leben ist so süß und leer für junge Männer wie Chéri. Dank des Vermögens seiner Mutter hat er ausgesorgt, doch in den plüschigen Pariser Salons der Jahrhundertwende allnächtlich Champagner zu schlürfen, ist auf die Dauer doch ermattend. Darum lähmt Überdruss den hübschen Chéri wie ein liebliches Gift. Erschöpft ist er, lebensmüde, dieser verwöhnte Kindskopf von 19 Jahren.

Bis sich Léa seiner annimmt. Wie Chéris Mutter hat auch Léa als Kurtisane ein Vermögen verdient. Jetzt ist sie um die 50, noch immer schön, geistreich und soll aus dem laxen Chéri einen Mann machen, reif für die Ehe. Léa besitzt den abgebrühten Witz einer Frau, die sich selbstbewusst entschloss, aus ihrer Schönheit Kapital zu schlagen. Und Chéri hat schon als Kind erlebt, dass Liebe Geld bringt, nichts weiter. Ihr Zynismus eint die beiden, doch das Unwahrscheinliche geschieht: Aus ihrem Geflirte und Genecke wird aufrichtige Zuneigung. Die beiden vertrauen und achten einander, ihr Leben ist nicht mehr leer. Léa und Chéri entdecken die Liebe.

Melancholie liegt über "Cheri"

Mit diesem Geschenk umzugehen verstehen sie beide nicht. Doch das ist nur die lakonische Schlusspointe dieses Films, nicht das eigentliche Drama.

20 Jahre nach "Gefährliche Liebschaften" hat Stephen Frears wieder mit Michelle Pfeiffer gedreht. Und wieder legt er einen Kostümfilm vor, der sich nicht nur an der Pracht einer verwehten Epoche ergötzt, sondern davon erzählt, wie gesellschaftliche Konventionen Menschen deformieren, ihr Leben einengen wie ein falsches Korsett. Doch sein neuer Film "Chéri" ist kein vergiftetes Intrigengespinst wie noch die Liebschaften, sondern ein auf wenige Figuren konzentrierter Versuch über die Liebe, das Älterwerden, die Vergänglichkeit.

Michelle Pfeiffer (51) gelingt es dabei, zugleich ewig jung zu wirken, so rank ist ihr Körper, so leicht sind ihre Bewegungen, so anmutig lächelt sie unter ihren Riesenhüten hervor. Und doch sieht auch sie irgendwann, dass Perlenketten am Hals von Jüngeren anders glänzen. Und die Frage nach dem Sinn des gelebten Lebens bedrängt, wenngleich nie ausgesprochen, auch sie. Ausgerechnet in einer von Anfang an befristeten Affäre erlebt sie die Selbstbestätigung einer Liebe, die tatsächlich ihr gilt — und muss sie vergehen lassen. Das schwere Aroma der Melancholie liegt über diesem Film, der oft in Gartenbildern schwelgt. Dann blickt die Kamera wie versonnen in prächtige Parkanlagen, in denen die Blumen üppig verblühen.

Das steht in schönem Kontrast zur Schnelligkeit der Dialoge in "Cheri", denn zusammen mit Drehbuchautor Christopher Hampton lässt Frears seine Figuren wortfechten, dass die Florette nur so klirren. So wahren sie Haltung, vermeiden Selbstmitleid, umgehen jeden Pathos, selbst als Léa erkennen muss, dass auch das Begehren eines jungen Mannes sie vor dem Altwerden nicht schützt. Oder Chéri auf Drängen seiner Muttermatrone (Paraderolle für Kathy Bates) in eine Geldheirat einwilligt, seine Lehrmeisterin aber nicht aus dem Sinn bekommt. Rupert Friend spielt diesen Chéri hübsch blutleer, arrogant, gelangweilt, und er versucht gar nicht erst, gegen die Frauen anzuspielen. Alles vergeblich — das ist das Lebensgefühl des einzigen Mannes in diesem Film.

Frears konzentriert sich auf diese Figuren. Er zeichnet kein Sittengemälde. Er denkt nicht tiefer darüber nach, wie sich die Dekadenz einer Epoche in der Gefühlsermattung des Einzelnen spiegelt, wie Überdruss einer ganzen Generation in den ersten Weltkrieg mündet. Trotzdem ist "Chéri" nicht oberflächlich. Der Film erzählt nur davon, wie Menschen verzweifelt an der Oberfläche bleiben, sich Luxus gönnen, beim Bridge hocken, sich an "pikanten Details" aus den Unglücksgeschichten anderer laben, nur um sich ja nicht selbst zu begegnen. Das wäre zu schmerzlich.

Beim Zuschauer fördert das nicht gerade Mitgefühl, und so schaut man "Chéri" seltsam unbeteiligt, mit einer unheimlichen Abgeklärtheit, die man vielleicht noch gar nicht an sich kennt. Und das ist das eigentliche Kunststück von Stephen Frears in diesem Film: Er zwingt sein Publikum in die distanzierte Haltung des weisen Beobachters. Es ist die Haltung des Alters.

(RP)
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