Kinostart von "Revolution Of Sound" Mit Tangerine Dream ins Weltall

Düsseldorf · Der Dokumentarfilm "Revolution Of Sound" erzählt die Heldengeschichte der international erfolgreichen Band aus Berlin.

Die herrlichste Szene dieses Films: Wenn sich Jerome Froese, der heute 47 Jahre alte Sohn von Tangerine-Dream-Gründer Edgar Froese, an seine Kindheit in Berlin erinnert. Sonntags bekamen seine Eltern oft Besuch von einem hageren Kerl. Der brachte stets seinen Sohn mit zum Kaffeeklatsch, und Jerome musste mit dem Jungen dann spielen gehen. Was aber okay war, denn der Gleichaltrige war sehr nett, allerdings sprach er nur englisch. Erst spät dämmerte Jerome, wer der Vater seines Spielkameraden war: David Bowie. Der lebte damals in Berlin, er nahm dort "Heroes" auf und war Fan von Tangerine Dream.

"Revolution Of Sound" heißt die Dokumentation von Margarete Kreuzer, die die Geschichte einer der international erfolgreichsten deutschen Bands nacherzählt. Tangerine Dream stehen hierzulande im Schatten der schnittigeren Kollegen von Kraftwerk, außerdem sind sie als Chef-Esoteriker verrufen, deren Kompositionen im Schnitt mindestens 20 Minuten zu lang sind und allzu sehr mit dem Weltall flirten. Aber das Frühwerk, vor allem "Zeit" (1972), "Atem" ('73) und das vollelektronisch produzierte "Phaedra" ('74) sind großartig, weil diese LPs Irritation und Kitsch im Gegensatz zur Mehrzahl der anderen 104 Tangerine-Dream-Alben noch ausbalancierten.

Edgar Froese hat "TD", wie die Eingeweihten sagen, 1967 in Berlin gegründet, und in frühen Formationen waren der bald in anderen Zusammenhängen berühmt gewordene Klaus Schulze und der Beuys-Schüler Conrad Schnitzler Teil der Gruppe. Sie machten zunächst Avantgarde-Rock, laut und brutal, und irgendwie bekam Salvador Dalí Wind von den Berlinern. Er lud sie nach Spanien ein, dort traten sie bei seinen berühmten Garten-Partys auf, und der Surrealist soll ganz aus dem Häuschen gewesen sein.

Der Sound von Tangerine Dream veränderte sich allmählich und nahm vorweg, was man heute New Age und Ambient nennt. Weite Flächen, produziert mit Synthesizer und Sequenzer. Die britische Radio-Legende John Peel bejubelte "Atem" als Album des Jahres, dadurch wurde Richard Branson hellhörig. Der Unternehmer hatte soeben das Label Virgin gegründet und mit Mike Oldfields "Tubular Bells" einen Millionenerfolg gelandet. Er nahm Tangerine Dream - damals in der Besetzung Froese, Christoph Franke und Peter Baumann - unter Vertrag. "Phaedra" war die zweite Veröffentlichung auf Virgin und wurde ebenfalls zum Welt-Hit. Das historische Bildmaterial aus jener Zeit, vor allem vom Auftritt in der Kathedrale von Reims 1974, gehört zu den Höhepunkten dieser Dokumentation.

Tangerine Dream waren Weltstars, sie schrieben fortan Soundtracks in Hollywood, für "Thief" von Michael Mann etwa, für "Risky Business" mit Tom Cruise und "Legend" von Ridley Scott, und noch 2013 lieferten sie die Musik zum Blockbuster-Computerspiel "Grand Theft Auto V". Die Regisseurin lässt Brian May von der Band Queen von Tangerine schwärmen, Volker Schlöndorff und Jean-Michel Jarre. Margarete Kreuzer merkt man an, dass sie Bewunderin der Gruppe ist. Sie hatte einen engen Draht zu Edgar Froese, der Teile des Films aus dem Off kommentiert. 2015 starb er an einer Lungenembolie. "Es gibt keinen Tod", sagt Froese, "nur den Wechsel der kosmischen Adresse."

Revolution Of Sound. Tangerine Dream, Deutschland 2017, Regie: Margarete Kreuzer, 87 Min.

(hols)
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