Kinostart von "Unsane" Aus dem iPhone auf die Leinwand

Düsseldorf · Der US-amerikanische Regisseur hat "Unsane" komplett mit dem iPhone gedreht. Entstanden ist ein düsterer Thriller mit genialen Momenten. Die Hauptrollte spielt Claire Foy.

 Szene aus Steven Soderberghs Film "Unsane": Claire Foy (vorne) als Patientin wider Willen und Juno Temple als Zimmergenossin. Die Kamera in seinem Handy-Thriller führte Regisseur Soderbergh höchstselbst.

Szene aus Steven Soderberghs Film "Unsane": Claire Foy (vorne) als Patientin wider Willen und Juno Temple als Zimmergenossin. Die Kamera in seinem Handy-Thriller führte Regisseur Soderbergh höchstselbst.

Foto: ap

Steven Soderbergh hat in seinem Portfolio Filme wie "Traffic", "Erin Brockovich" und "Logan Lucky", er gehört zu den renommiertesten amerikanischen Kinokünstlern. Der 55-jährige Regisseur ist auch immer wieder für eine Überraschung gut: Dieses Mal hat er einen Film komplett mit dem iPhone gedreht. Soderbergh erzählt in "Unsane" von einer hübschen jungen Frau, die gegen ihren Willen in einer Einrichtung für psychisch Erkrankte festgehalten wird. Dabei wollte sich Sawyer Valentini eigentlich nur kurz beraten lassen. Verkörpert wird diese Hauptfigur von der Britin Claire Foy.

Dass Sawyer Valentini eine mentale Last mit sich herumschleppt, ist schon eingangs spürbar: Wie sie mit Kunden am Telefon umspringt - sie arbeitet in einem Finanzinstitut -, wie sie plötzlich eine Art von Panik befällt bei der abendlichen Verabredung mit einem Mann. Nicht ganz ohne Grund ist Valentini vor ein paar Monaten umgezogen. Ein Stalker hatte es auf sie abgesehen; nun hofft die Frau auf einen ungestörten Neuanfang. Wie es sich aber für einen veritablen Thriller gehört, gerät Valentini bald in einen hochgefährlichen Strudel.

Das Unheil nimmt seinen Lauf, als sie professionelle Hilfe sucht, sich zu einem Gespräch in eine Klinik begibt. In dieser psychiatrischen Einrichtung nämlich wird Valentini fortan festgehalten, und das gegen ihren erklärten Willen. Sie findet sich in einem düsteren Schlafsaal wieder, umringt von teils offensichtlich schwer kranken Patienten. Bald gibt es die ersten sedierenden Medikamente; auch mit dem verzweifelten Anruf bei der Polizei kann sich Valentini nicht befreien aus diesem Alptraum. Und damit nicht genug: Ausgerechnet in einem der Klinik-Pfleger erkennt Sawyer ihren einstigen Peiniger, den Stalker.

Steven Soderbergh ist ein eigenwilliger Kopf, der keine Lust darauf hat, sich Erwartungen unterzuordnen, ob sie nun vom Publikum kommen oder der Filmindustrie. Längst legendär ist etwa seine Ankündigung vor einigen Jahren, er wolle sich nun ganz vom Filmemachen zurückziehen, um sich der Malerei zu widmen. So wenig, wie Soderbergh sich tatsächlich an diese Ankündigung hat halten wollen, so wenig scheint er nun Lust dazu zu haben, mit "Unsane" allzu viele Publikumserwartungen zu bedienen. Dafür ist der zwar recht stringent erzählte Thriller viel zu sperrig, was auch an den unperfekten iPhone-Bildern liegt, und ja, auch frustrierend ist. Man verlässt das Kino mit Fragezeichen im Kopf.

Schauspielerin Claire Foy hingegen, die durch ihre Hauptrolle als Queen Elisabeth in der Netflix-Serie "The Crown" bekannt geworden ist, bemüht sich auch in "Unsane" als sehr präsente Hauptdarstellerin, ihr Leiden glaubwürdig erscheinen zu lassen. Dass man zwischendurch an Psychiatrie-Klassiker wie "Einer flog über das Kuckucksnest" denken muss, ist ein schöner Nebeneffekt. Unterstützt wird der noch durch die kaum gefällige, semidokumentarisch und fast altmodisch anmutende Bildästhetik, generiert durch das iPhone.

Es gibt manchen Moment in diesem Film, der Elemente aus den Genres Horror, Psychothriller und Gesellschaftskritik vereint, da man sich zurücksehnt zur farbseligen Leichtigkeit und stilistischen Brillanz von Soderberghs Vorgängerwerk, dem wunderbaren "Logan Lucky" aus dem Herbst 2017. "Unsane" wirkt wie ein Gegenentwurf: viel ernster, viel düsterer, viel schwerer als die mit Channing Tatum und Daniel Craig besetzte Einbruchskomödie. Der neue Film aber knüpft mit seiner Kritik an einer nur vermeintlich aufs Patientenwohl ausgerichteten Pharma- und Psycho-Industrie gekonnt an einen anderen Soderbergh-Film an: "Side Effects" von 2013.

Schließlich gibt es Momente, in denen Soderbergh seine Genialität auch in "Unsane" unter Beweis zu stellen vermag: In der kurzen, völlig unerwarteten Szene etwa, die Matt Damon als Ratgeber in puncto Stalking-Prävention zeigt. Damon spricht einen Satz, der sehr schön unterstreicht, dass Steven Soderbergh, dieser fürs zeitgenössische US-Kino so wichtige Filmemacher, seinen Humor und seine Selbstironie nicht eingebüßt hat: "Das Smartphone", heißt es da, "das Smartphone ist dein Feind!" Welch wunderbare Aussage ausgerechnet in einem iPhone-Film.

Unsane, USA 2018, von Steven Soderbergh, mit Claire Foy, Joshua Leonard, Jay Pharoah, 97 Minuten

(mro/dpa)
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