Kinostart von "Molly's Game" Emanzipation am Pokertisch

Düsseldorf · In "Molly's Game" spielt Jessica Chastain eine gewiefte Frau, die exklusive Pokerrunden veranstaltet. Hollywood-Stars sind ihre Kunden. Ein Film über eine Frau, die für ihr Glück einen hohen Preis zahlen muss.

 Jessica Chastain in "Molly's Game".

Jessica Chastain in "Molly's Game".

Foto: dpa, dhy sab

Der Eintritt in die Lasterhöhle kostet 250.000 Dollar. So viel mussten die Schauspieler, Firmengründer, Superreichen bezahlen, die an den exklusivsten Pokerrunden der USA teilnehmen wollten, den Pokerrunden von Molly Bloom. Die ehemalige Leistungssportlerin, die ihre Ski-Karriere nach einem schweren Unfall aufgeben musste, hielt in einer Hotelsuite in New York superedle, superausgewählte Glücksspielrunden ab - Séancen der Gier und des Glücksrausches unter Männern.

Davon erzählt Aaron Sorkin in seinem Debütfilm "Molly's Game". Sorkin ist einer der besten Drehbuchautoren Hollywoods. Er hat die Skripte zur brillanten US-Politserie "The West Wing" geschrieben und zu intelligenten Kinofilmen wie "The Social Network" oder "Steve Jobs". Filme, die sich durch hohes Tempo, komplexe Erzählstrukturen, Gegenwartshaltigkeit abheben. Nun will Sorkin auch über die Inszenierung seiner Geschichten entscheiden und hat für seine erste Regiearbeit die Memoiren der realen Molly Bloom verfilmt. Die hat ihre Lebensgeschichte wohl auch deswegen aufgeschrieben, damit sie sich günstig auf ihr Strafmaß auswirkten.

Denn natürlich ging ihr Geschäft mit der Gewinnsucht erfolgreicher Männer nicht gut aus. Bald saßen auch Typen aus Mafiakreisen bei ihr am grünen Tisch, die sich das Geld, das sie verloren, nicht so einfach nehmen lassen wollten. Und irgendwann auch das FBI. Doch Molly Bloom hatte einen Trumpf in der Hand: das Wissen um ihren erlesenen Kundenkreis, zu dem auch viele Hollywood-Stars gehört haben sollen. Menschen also, an deren Fehlverhalten nicht nur der Staat höchstes Interesse hatte.

Sorkin erzählt also eine Kriminalgeschichte, die in Luxus und Ausschweifung schwelgt, und von der Angst vor Enttarnung getrieben ist. Und obwohl am Pokertisch immer nur Männer sitzen, die sich von aufgebrezelten Hostessen umschwärmen lassen, steht im Mittelpunkt seiner Geschichte eine selbstbewusste Frau. Molly ist ehrgeizig, schlau, verbissen. Eine Heldin, die sich schon als Kind im Skitraining mit dem unerbittlichen Vater Gefühle wie Angst, Schwäche, Skrupel abtrainiert hat. Als aus der Ski-Karriere nichts wird, sucht sie andere Wege, um in einer Hochrisikowelt, die von Männern dominiert wird, ihr eigenes Spiel zu spielen. Sie will es den Jungs zeigen und hat selbst Spaß an viel Geld. Molly ist eine Emanze, die sich abends die Pumps überstreift, um die Verfügbare zu spielen. Allerdings kostet die Aufspaltung ihrer Persönlichkeit viel Kraft, bald fängt sie an, Drogen zu nehmen.

Sorkin schildert die Kindheitsepisoden seiner Heldin reichlich plakativ, doch kaum springt er in Mollys Erwachsenenleben, kommt Jessica Chastain ins Spiel. Und mit ihr wird die Pokerkönigin zu einem reizvollen Charakter. Denn sie zeigt Molly als jene Frau, die sich von Männern nichts nehmen lassen will, dafür schuftet, Risiken eingeht, sich keinerlei Weichheit gestattet. Sie ist das beängstigend perfekte Produkt einer neoliberalen Selbstverbesserungsgesellschaft, in der Erfolg alles ist. Chastains Molly ist unsentimental, geistreich, eine Frau mit Killerinstinkt. Doch bei aller Abgebrühtheit ist sie auch verletzlich, nur hält sie das nicht für eine Waffe der Frauen.

Sorkin gibt seiner grandiosen Hauptdarstellerin viel Raum. Allerdings inszeniert er sie bisweilen wie eine Barbie, die er in immer aufreizendere Outfits zwängt. Dazu muss Molly ihre Geschichte am Ende nicht nur mit einem integren Rechtsanwalt aufarbeiten, väterlich sonor gespielt von Idris Elba, sondern auch noch mit dem verhassten Vater. Da sitzt Kevin Costner dann im frostigen Winter mit mildem Blick auf einer New Yorker Parkbank und erklärt der tapferen Tochter, was sie alles tun musste, um ihr Vatertrauma zu überwinden. Dabei sollte Drehbuchautor Sorkin wissen, dass Belehrungsszenen dieser Art weder Heldinnen noch Zuschauern guttun.

Aber "Molly's Game" ist nicht nur Krimi und Psychodrama, sondern natürlich auch ein Pokerfilm. Und da zeigt Sorkin auch als Regisseur große Raffinesse. Denn er macht aus einem actionarmen Kartenspiel, dessen Regeln den meisten Zuschauern kaum geläufig sein dürften, knisternde Duelle von Blicken, Gesten, Haltungen. Rasant lässt er das Mischen und Ausgeben von Karten filmen und versammelt spannende Spielertypen, die man gern beobachtet, wie sie bluffen, alles aufs Spiel setzen, siegen und verlieren. Man kann da lernen, dass ein naives Jungsgesicht das beste Pokerface ist.

Und der Morgen nach einer heißen Glücksspielnacht ziemlich grau. "Molly's Game" ist ein Schelmenstück, nur ist der Schelm eine gerissene Frau, die früh ahnt, dass sie fürs eigene Glück einen hohen Preis zahlen muss.

Molly's Game, USA, China 2017 - Regie: Aaron Sorkin mit Jessica Chastain, Idris Elba, Kevin Costner , 140 Min.

(dok)
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