"Die Lügen der Sieger" Lässiger Polit-Thriller aus Deutschland
Düsseldorf · In "Die Lügen der Sieger" erzählt Christoph Hochhäusler von einem Investigativ-Journalisten, der eine Bundeswehr-Affäre aufdeckt – und die Geschichte doch nicht durchschaut. Florian David Fitz überzeugt als einsamer Wolf.
In "Die Lügen der Sieger" erzählt Christoph Hochhäusler von einem Investigativ-Journalisten, der eine Bundeswehr-Affäre aufdeckt — und die Geschichte doch nicht durchschaut. Florian David Fitz überzeugt als einsamer Wolf.
Auf politisch schwierige Zeiten antwortet das Kino in gewissen Abständen mit einem Journalistenfilm. "Die Unbestechlichen" ist so ein Beispiel. Als der Vietnam-Krieg und die Watergate-Affäre die USA erschütterten, drehte Alan Pakula seine Geschichte von zwei Reportern, die höchste persönliche Risiken eingehen, um Ungereimtheiten in einem Polizeibericht nachzugehen und ein Komplott aufzudecken. Wenn schon auf die Lauterkeit des politischen Apparats kein Verlass mehr war, sollte wenigstens die vierte Gewalt im Staate, die Journalisten, zeigen, dass sie funktionieren. Und auf Dustin Hoffmann und Robert Redford war Verlass.
Die Zeiten sind unübersichtlicher geworden. Darum erzählt Christoph Hochhäusler in "Die Lügen der Sieger" zwar auf den ersten Blick noch eine klassische Investigativ-Geschichte, doch inzwischen ist unklar geworden, wer wen manipuliert, beobachtet, benutzt — es gibt keine Instanz mehr, die sauber wäre. Die Unbestechlichen haben ausgedient.
An der Oberfläche verfolgt Hochhäusler noch konventionell einen Journalisten bei der Recherche, zeigt den Aufklärer bei der Arbeit: Florian David Fitz gibt den einsamen Polit-Reporter, der eine Affäre in Bundeswehrkreisen aufdecken will. Ein cooler Hund. Aber auch ein gebrochener Held, spielsüchtig, verschuldet, arrogant, dazu als Diabetiker angewiesen auf die pünktliche Spritze Insulin. Fabian Groys arbeitet beim angesehenen Magazin "Die Woche" in Berlin, hat Kontakt zu anonymen Informanten, kennt das Spiel. Allerdings kommt er im aktuellen Fall nicht voran. Also stellt ihm sein Chef eine Volontärin an die Seite, Nadja ist beharrlich, klug - nicht clever. Groys will sie loswerden, setzt sie auf eine Boulevard-Story an, auf den Fall eines Mannes, der sich im Gelsenkirchener Zoo in das Löwengehege stürzte. Bald stellt sich heraus: Der Mann war Bundeswehrsoldat, arbeitete später in einer Chemiefabrik, die Fälle hängen zusammen. Und es ist ein großer Fisch, den die Journalisten da am Haken haben.
Bis zu diesem Punkt erzählt Hochhäusler einen durchschnittlichen Krimi, bedient die bekannten Klischees vom einsamen Wolf und dem gelehrigen Mädchen. Doch Hochhäusler, der auch Architektur studiert hat und zum Regisseurkreis der Berliner Schule gehört, hat schon in "Unter dir die Stadt" gezeigt, wie er mit Stadtaufnahmen und klassisch-moderner Filmmusik eine Atmosphäre abstrakter Bedrohlichkeit aufbauen kann.
Immer wieder fährt die Kamera an erleuchteten Bürotürmen entlang, in denen Kommunikationsstrategen ihre Pläne schmieden, oder streicht durch die Wohnung des Journalisten, dessen Computer längst angezapft sind. Hochhäusler gelingt es so, Milieus in Szene zu setzen, die Gesellschaft als Apparat ins Bild zu holen, nicht mehr nur die Geschichte von Personen, von Einzelkämpfern, zu erzählen, sondern auch die des Systems, in dem alle gefangen sind.
Das ist die große Stärke dieses Regisseurs, dass er Bilder findet für abstrakte Zusammenhänge, für die Mechanismen und Zwänge, die längst mächtiger geworden sind als einzelne Politiker oder Journalist.
Bei Hochhäusler wird der Zuschauer zum abgeklärten Beobachter, der zwar noch verfolgt, wie sich zwischen den Journalisten eine kühle Affäre anbahnt, wie Lobbyisten auf Politiker einwirken und Journalisten durch das manipulieren, wonach die am meisten gieren: durch Informationen. Doch das alles ist nicht nur als Thriller interessant, sondern als Versuchsanordnung: So funktioniert das heute. So werden Geschichten lanciert, Interessen durchgesetzt, öffentliche Aufmerksamkeit auf Nebenschauplätze gelenkt. Und im Hintergrund arbeitet der politische Apparat, funktioniert das System.
Hochhäusler hat sein Drehbuch zusammen mit dem Autoren Ulrich Peltzer geschrieben, dessen Romane auch in Großstädten spielen und von der Ohnmacht des Einzelnen im gesellschaftlichen Gefüge handeln. In "Die Lügen der Sieger" zeigen die beiden lauter Menschen, die etwas verkaufen wollen: Chemieprodukte, ihren Einfluss als Politiker, ihre Titelstory. Das macht sie zu willigen Vollstreckern, die Moral gerät in die Maschinerie, ohne dass eine Figur den ausgesprochenen Bösewicht geben müsste.
So entlarvt Hochhäusler die Idee vom Journalismus als vierter Gewalt - als unbestechlicher Kontrollinstanz im demokratischen System -, als jene naive Vorstellung, die sie immer war. Journalisten sind keine Kontrolleure, ihre Aufgabe ist allein die Herstellung von Öffentlichkeit, damit Machenschaften, wie sie Hochhäusler für seinen Film konstruiert, ans Tageslicht kommen. Der bittere Clou seines eleganten, spannenden, abgründigen Thrillers ist, zu zeigen, wie auch Journalismus versagt, wenn allein die Regeln der Vermarktung entscheiden.
Hochhäusler holt das Genre des Politthrillers in die Gegenwart. Sein Film muss ohne investigative Helden auskommen. Selbst Unbestechliche sind den Verhältnissen nicht mehr gewachsen.