Komödie „Nur fliegen ist schöner“ Ein Tagträumer auf Abenteuerurlaub

Vor ihm ein riesiger Apple-Bildschirm. Rechts und links die Trennwände, die seinen Schreibtisch von dem der anderen Mitarbeiter abschirmen. Zu wenig Platz, um sich zu entfalten, aber genug, um sich hinfort zu träumen.

Film „Nur fliegen ist schöner“ - Tagträume im Kino
Foto: dpa, wok

Michel (Bruno Podalydés) ist Mitte fünfzig, als Grafik-Designer in Lohn und Brot, halbwegs glücklich verheiratet. Das Leben läuft in gepflegter Gleichförmigkeit an ihm vorbei. Aber in seinen Tagträumen sieht er sich als stolzer Pilot hoch über den Wolken in einer Propellermaschine davonfliegen, auch wenn er in Wahrheit wegen seiner Flugangst kein Aeroplan besteigt.

Michel steckt zwar nicht in einer Midlife Crisis, aber tief in ihm drin ist eine Sehnsucht begraben, die nur darauf wartet wach geküsst zu werden. Das geschieht, als er beim Surfen im Internet auf das Bild eines Kajaks stößt. Auf den ersten Blick verliebt er sich in den perfekt gebauten Bootskörper, der ein bisschen wie ein Flugzeug ohne Flügel aussieht.

Ehe er es sich versieht, liegt nach wenigen Mausklicks das Kajak im Einkaufswagen des Online-Anbieters. Ein paar Tage später wuchtet er ein riesiges Paket in den Aufzug. Heimlich baut Michel das Boot auf der Dachterrasse zusammen, macht dort oben seine ersten Paddelübungen und kauft sich nach und nach die perfekte Ausrüstung für eine Wasserexkursion zusammen. Irgendwann kommt seine Frau Rochelle (Sandrine Kiberlain) dahinter und sie ist es, die ihn ermutigt einen Auszeit zu nehmen.

Und so paddelt Michel alleine los, den Fluss hinunter, lässt sich treiben und macht schon nach wenigen Kilometern an einer lauschigen Wiese fest. Dahinter liegt ein Ausflugslokal, das von der patenten Besitzerin Laetitia (Agnès Jaoui) und der melancholisch Kellnerin Mila (Vimala Pons) betrieben wird. Auf ganz unterschiedliche Weise ziehen die beiden Frauen und der verwunschene Ort den Reisenden an, der jeden Tag seine Sachen packt und lospaddelt, um wenige Stunden später erneut an seinem Ausgangspunkt anzulegen.

Mit "Nur fliegen ist schöner" entwirft Regisseur und Hauptdarsteller Bruno Podalydès ein tiefenentspanntes Off-Road-Movie, das zeigt, dass der Weg aus dem Alltag heraus hin zu den eigenen Sehnsüchten weniger weit ist, als man es gemeinhin vermutet. Ist der Entschluss gefasst, sind es nur ein paar Paddelschläge, die Michel in eine andere Welt gleiten lassen, der er mit stauenden Augen und offenem Herzen begegnet. Dabei geht es weniger um erotisches Abenteurertum als um das langsame Dahintreiben ohne soziale Kontrolle, um die Tage, denen man mit einem neuen Blick beim Vergehen zuschaut.

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Foto: 20th Century Fox

Dahinter wird ein männliches Selbstverständnis verhandelt, das jenseits von Alpha-Tier-Neurosen und Leistungsansprüchen sein Glück sucht. "Nur fliegen ist schöner" ist eine skurrile Mischung aus Mikro-Odyssee, Selbstfindungsfilm und surrealem Märchen - und auf eine sanfte, unaufdringliche Weise originell, wie es vielleicht nur im französische Kino möglich ist.

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