Fifty Shades of Grey 2 - Gefährliche Liebe Der Sadist wird zum Romantiker

Düsseldorf · In der Fortsetzung von "Fifty Shades of Grey" ist sogar von Liebe die Rede. Im Kinosaal hört man das Publikum seufzen und kichern.

Europa-Premiere von "Fifty Shades of Grey 2" in Hamburg
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Die "Fifty Shades of Grey"-Stars auf dem roten Teppich in Hamburg

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Foto: dpa, dan nic

So ein Safeword ist eine feine Sache. Wenn einem alles zu viel wird, ruft man es klar und deutlich aus und dann ist Schluss mit dem, was einen quält. Das sollte man auch einmal in anderen Lebensbereichen einführen und nicht nur im Falle einvernehmlicher sadomasochistischer Lustgewinnung. Bei Stress am Arbeitsplatz etwa oder anstrengenden Familienfeierlichkeiten.

Aber ein Safeword kann einen nicht immer retten. So wusste etwa der "Spiegel" zu berichten, dass im Zuge des enorm gigantischen Bestsellererfolges von "Fifty Shades of Grey" die Londoner Feuerwehr vermehrt einschlägige Einsätze fahren musste, bei denen "Objekte von Menschen" und "Menschen von Objekten" fachkundig entfernt werden mussten. Wenn man den Schlüssel zu den Handschellen verbaselt hat, hilft auch das beste Safeword nicht.

Soll noch einer behaupten, die Literatur hätte keinen Einfluss auf die gesellschaftliche Wirklichkeit. Ob es sich allerdings bei E.L. James' Romantrilogie um gute Literatur handelte, wurde im Feuilleton hier und da entschieden bezweifelt. Aber bei 150 Millionen verkauften Exemplaren in 52 Sprachen erledigen sich solch lästige Qualitätskategorisierungen.

Da setzt dann einfach mal die normative Kraft des Faktischen ein und gut ist. Und Fakt ist, dass die mehrheitlich weibliche Leserschaft offensichtlich ihren Spaß hatte mit den amourösen Verwicklungen zwischen der grundunschuldigen College-Studentin Anastasia Steele und dem schmucken Milliardär Christian Grey, der nichts von Romantik hält, aber hofft, seine neue Geliebte als Sklavin im sadomasochistischen Liebesspiel zu gewinnen.

Wer in der erfolgreichen Vermarktung eines solchen Plots die Sehnsucht nach präfeministischen Rollenbildern zu erkennen glaubt, vergisst, dass im multimedialen Zeitalter das Publikum in seiner Wahrnehmung durchaus ironiegeschult ist. Diesbezüglich bietet "Fifty Shades of Grey" reichhaltige Anknüpfungspunkte und scheint hingegen zur subtilen Gehirnwäsche wenig geeignet.

Bei der Europapremiere der Verfilmung von Teil 2 in Hamburg wurde jedenfalls herzhaft gekichert. Vor allem im Sopran und Alt. Dabei werden hier durchaus ernste Dinge verhandelt. Ging es im letzten Film noch um rotwangiges Verliebtsein, kavaliersmäßiges Umgarnen, verspielte Vertragsverhandlungen über Sexualpraktiken, war am Ende Schluss mit lustig.

Nach sechs harten Schlägen mit dem Gürtel reichte es Ana (Dakota Johnson). "Halt! Stop!" waren ihre letzten Worte, die Aufzugtür ging zu und der Film war zu Ende. Natürlich ist der Bruch nur von kurzer Dauer und Teil romantischer Verzögerungsstrategien. Im Sequel stehen nun ernsthafte Neuverhandlungen an, in die Ana mit erstarktem Selbstbewusstsein hineingeht. Sie kaut nicht mehr auf der Unterlippe herum, bezahlt auch mal eine Rechnung selbst, macht als Lektorin Karriere und darf sogar kurz das Steuer der Yacht übernehmen.

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Foto: AP/Susan Walsh

Freund Christian (Jamie Dornan) hingegen sieht stark mitgenommen aus, was man am Zehntagebart und der durchfurchten Stirn erkennt. Gute Bedingungen zur Läuterung des hübschen Perverslings, in dessen traumatisierte Psyche nun Ana und uns endlich Zugang gewährt wird.

Schließlich heißt die Parole auf dem Filmplakat "Keine Geheimnisse mehr". Die Mutter war cracksüchtig, sie starb, als er vier war und erst nach drei Tagen fand die Polizei den Jungen neben der Toten. "Danke, dass du es mir erzählt hast" sagt Ana und streicht ihm über den Rücken. Die muskulöse Männerbrust mit den Brandnarben bleibt weiterhin tabu.

Aber die Wandlung vom kühlen, vertragsfixierten Sadisten zum bekennenden Romantiker ist ja auch noch nicht abgeschlossen. Am Ende des Films wird Christian Grey nicht nur das L-Wort, sondern auch das H-Wort im Munde führen und mit einem Verlobungsring devot vor der Angebeteten niederknien.

Seufzen und Kichern hielten sich an dieser Stelle im Kinosaal die Waage. Dafür lässt sich Ana im Prozess gegenseitiger Annäherung ein bisschen den Hintern versohlen oder auch mal Handfesseln anlegen. "Bring mich ins Spielzimmer" haucht sie ihm ins Ohr und zur Gymnastik singt Halsey aus dem Off "I am not afraid anymore".

Regisseur James Foley, der die 600 Buchseiten kräftig kondensiert und zu einem soliden, übersichtlichen Fanprodukt umgearbeitet hat, achtet mit fast schon buchhalterischer Penibilität auf das ausgewogene Verhältnis zwischen Sexszenen und Beziehungsgesprächen. Schließlich gehört bekanntlich beides zur wahren Liebe, um die es hier nun einmal geht, wie immer und immer wieder in zunehmendem beiderseitigen Einvernehmen betont wird.

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Die Erotikschnulze ist im Kino ja noch ein weitgehend unerforschtes Genregebiet. Die Mischung aus gediegener Pornografie, Jane Austen und einer (kleinen) Prise de Sade hat sicherlich Zukunftspotenzial, weil sie die sexualisierten Wahrnehmungsmuster der voyeuristischen Mediengesellschaft bedient und gleichzeitig für romantische Bedürfnisbefriedigung sorgt.

Da wird uns kein Safeword helfen können.

"Fifty Shades of Grey - Gefährliche Liebe", USA 2017, Regie: James Foley, mit Dakota Johnson, Jamie Dornan, Kim Basinger, 115 Min., FSK 16

(RP)
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