"Eine Geschichte aus Liebe und Finsternis" Die Geschichte einer jüdischen Familie

Düsseldorf · Natalie Portman hat "Eine Geschichte aus Liebe und Finsternis" verfilmt. In dem autobiografischen Roman, der als Vorlage diente, arbeitet Amos Oz eine persönliche Familientragödie auf.

Amos Oz' "Eine Geschichte aus Liebe und Finsternis" gehört zu den wirklich großen Romanen der jüngeren Literaturgeschichte, in dem die eigene Biografie des Autors und die Geschichte seines Landes auf kongeniale Weise verdichtet werden. Über 120 Jahre spannt sich der Bogen der Familiengenealogie und das Panorama jüdischen Lebens im Osteuropa des 19. Jahrhunderts über den Holocaust bis hin zu den Gründungsjahren des Staates Israel.

Wer aus diesem Mammutwerk mit seiner enormen emotionalen Bandbreite einen Kinofilm machen will, muss eigentlich verrückt sein. Natalie Portman hat sich mit ihrem Regiedebüt dennoch an diese Aufgabe herangewagt und war schlau genug, der Vorlage nicht in ihrem ganzen Umfang gerecht werden zu wollen.

Auf den ersten Blick erzählt ihr Film eine zweifache Entwicklungsgeschichte: die des zehnjährigen Amos (Amir Tessler), der im Jerusalem der 40er Jahre aufwächst, und die des Staates Israel, der sich gerade in seiner Gründung befindet. Die Eltern sind vor den Grauen des Holocaust nach Palästina geflüchtet und hoffen hier auf ein Leben in Frieden und Sicherheit.

Der Mutter, Fania (Natalie Portman), sind nur Erinnerungen und Geschichten aus einer fernen Vergangenheit geblieben, die sie ihrem Sohn beim Bügeln, in der Badewanne oder abends am Bett erzählt. Es sind Geschichten voller Melancholie, Metaphorik und mit oftmals verstörenden Schlusswendungen, die der Junge in sich aufsaugt, während die Mutter immer tiefer in die Depression driftet. Sein Vater Arieh (Gilad Kahana) arbeitet an der Universität und vermittelt dem Jungen die Feinheiten der hebräischen Sprache.

Portman entwirft ihre Erzählstruktur anhand der widersprüchlichen Eindrücke, die auf den jungen Amos einstürmen. Die historischen Ereignisse — vom Votum der UN-Generalversammlung 1947 für die Teilung Palästinas bis zum blutigen Unabhängigkeitskrieg — zeigt Portman, ohne historisches Pathos aufkommen zu lassen. Portman hat in ihrem Regiedebüt ein sicheres Gespür für die Entschlackung der komplexen Vorlage, deren verästelte Narration und ausuferndes Personal auf den emotionalen Kern der Mutter-Kind-Beziehung zurückgeschnitten wird.

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Foto: 20th Century Fox

In den Traumsequenzen und der Inszenierung der mütterlichen Erzählungen gelingen ihr und Kameramann Slawomir Idziak Kinobilder von nachhaltiger Wirkung. Aber vor allem überzeugt Portman in der Rolle der Mutter, deren seelische Verfassung sie scheinbar tastend erkundet. Ihr Spiel ist der Schlüssel zur melancholischen Zärtlichkeit dieses Filmes, der seiner Vorlage in ihrer Vielschichtigkeit sicherlich nicht gerecht wird, aber deren Geist und Menschenverständnis tief eingeatmet hat.

Eine Geschichte von Liebe und Finsternis, USA und Israel 2015 - Regie: Natalie Portman, mit Amir Tessler, Natalie Portman, Gilad Kahana, 98 Minuten

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