"It Follows" Der erste Horrorfilm für Hipster

Düsseldorf · Als hätte Wes Anderson sich entschlossen, das Genre zu wechseln: Über keinen Horrorfilm wurde in diesem Jahr mehr gesprochen als über "It Follows". Mutig, vielschichtig, interessant ist er – spannend allerdings nur bedingt. Nun erscheint er auf DVD.

 Jay kann sich nirgendwo sicher fühlen. Überall könnte der Dämon lauern, der sie mit einer Berührung töten kann.

Jay kann sich nirgendwo sicher fühlen. Überall könnte der Dämon lauern, der sie mit einer Berührung töten kann.

Foto: Weltkino Filmverleih

Als hätte Wes Anderson sich entschlossen, das Genre zu wechseln: Über keinen Horrorfilm wurde in diesem Jahr mehr gesprochen als über "It Follows". Mutig, vielschichtig, interessant ist er — spannend allerdings nur bedingt. Nun erscheint er auf DVD.

Das älteste Horrorfilm-Klischee der Welt: Wenn immer Menschen Sex haben, müssen sie danach sterben. Der Regisseur und Drehbuchautor David Robert Mitchell kennt dieses Klischee und er hat es einfach erweitert: Wer keinen Sex hat, erst Recht. Sowieso spielt er in seinem Film "It Follows" mit den Konventionen des Genres — ohne sich allerdings über sie lustig zu machen. Auf diese Weise hat er den einzigen Horrorfilm geschaffen, der 2015 Gesprächsthema war. Nun ist er auch auf DVD erhältlich.

Die 19-jährige Jay lebt ein Leben ohne besondere Vorkommnisse in einer Vorstadt von Detroit. Dann lernt sie Hugh kennen. Hugh scheint ein netter Kerl zu sein, doch nach dem Verkehr im Auto betäubt er sie. Als Jay wieder aufwacht, sitzt sie gefesselt in einem Rollstuhl unter einer Brücke. Hugh erzählt ihr diese unglaubliche Geschichte: Es gebe da diesen Fluch, und wer ihn auf sich gezogen hat, den verfolgt ein Dämon, der jederzeit in einer anderen Gestalt auftauchen kann. Wen er berührt, der stirbt. Wer diesen Fluch loswerden will, muss ihn via Geschlechtsakt an eine andere Person weitergeben. Der Haken: Wird diese Person vom Dämon getötet, verfolgt er wieder den, der den Fluch weitergegeben hat.

Dieser Film ist anders

Genau deshalb erzählt Hugh ihr auch davon. Sie solle den Fluch möglichst schnell weitergeben. Dass er keinen Quatsch erzählt, erkennt sie ziemlich bald — eine nackte Frau taucht unter der Brücke auf und läuft zielstrebig auf sie zu. Jay aber hat zunächst Hemmungen, den Fluch weiterzugeben. Mithilfe ihrer Clique, die aus ihrer Schwester, einer Freundin und dem seit Kindestagen in sie verschossenen Nachbarsjungen besteht, versucht sie, dem Dämon zu entkommen. Er ist nicht schnell, er wirkt nicht gefährlich, aber genau das ist das Problem: Jay weiß nie, ob da der Dämon auf sie zukommt oder bloß ein Spaziergänger. Die Gefahr lauert überall.

Die Handlung mag nach einem beinahe normalen Horrorfilm klingen, aber Regisseur Mitchell hat Details verändert, die einem nicht sofort ins Auge springen. Zum Beispiel, dass normalerweise ein irrer Killer viele Menschen dahin meuchelt, hier nimmt der Killer immer wieder eine andere Gestalt an und verfolgt nur ein Opfer. Der Look des Films, der so gar nichts mit dem Hochglanz aktueller Horrorfilme zu tun hat, erinnert stark an die Klassiker der 70er und 80er, "It Follows" könnte ebenso in Haddonfield spielen, dem Schauplatz von "Halloween". Und auch viele andere Details legen nahe, dass der Film in der Vergangenheit spielt. Die alten Autos, die alten Fernseher und Radios, alte Pornohefte, die Kleidung der Protagonisten — es ist ein Hipster-Traum. Mitchell hat denselben Ausstattungs-Willen wie Regisseur Wes Anderson. Doch einer der Teenager nutzt einen eBook-Reader in Form einer Muschel, einige Autos sind definitiv neueren Baujahrs.

So schafft Mitchell für die Handlung des Films eine eigene Zeit, ein eigenes Paralleluniversum. Eines, in dem Erwachsene höchstens als Dämon auftauchen, ansonsten aber keine Rolle spielen. "It Follows" ist auch eine Abenteuergeschichte von Jugendlichen, ein horrorisiertes "Stand By Me". Die Protagonisten sind zwar volljährig, aber sie wirken beinahe noch wie Kinder, spielen Karten, um sich die Zeit zu vertreiben. Der Dämon markiert den Einfall der Erwachsenenwelt, Sex und Tod sind nun auch Teil ihres Lebens.

Die Filmmusik gibt keinen Gruselbefehl

Für einen Horrorfilm setzt Mitchell bemerkenswert selten auf jump scares, jene Schreckensmomente, in denen plötzlich der Täter aus dem Dunkeln auftaucht oder hinter einem steht. Das zeigt auch, dass es dem Film weniger um den klassischen Horror geht, das Grauen ist eher dezent. Auch die Filmmusik befiehlt einem nicht, wann man sich zu gruseln hat. Der elektronische Soundtrack gibt eher die düstere Grundmelodie vor. Das führt allerdings auch dazu, dass "It Follows" in der zweiten Hälfte an Spannung verliert. Es passiert nur wenig, was der Zuschauer vorher nicht bereits gesehen hat, das Ende wirkt da in seiner Dramatik eher fehl am Platz. Zudem fällt es schwer, Mitgefühl für die eher kühl agierenden Protagonisten zu entwickeln, die die Hälfte der Zeit eher gelangweilt auf der Couch rumhängen.

"It Follows" ist mit Sicherheit nicht der unheimlichste Horrorfilm des Jahres 2015. Aber er ist mindestens der klügste.

(seda)
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