Die Zukunft spielt im Hochhaus

Glamouröse Dystopie: der Science-Fiction-Film "High-Rise" mit Jeremy Irons.

"Sie sind ja ein Prachtexemplar!", ruft die Nachbarin dem neu eingezogenen Muskelpaket auf dem Balkon unter ihr zu. "Ich dachte, sie seien leer", ergänzt sie - unklar, ob es um die noble Wohnung oder um den Menschen geht, dem sie das zuruft. Allein mit dieser Szene ist der Ton gesetzt, den "High-Rise" nach J.G Ballard anschlägt: unterkühlte Bilder und unbequeme Haltungen bilden die Grundlage für Kritik an der Konsumgesellschaft und unseren eigenen Rollen darin.

Im Zentrum dieser Kreuzung aus Drama und Thriller steht Architekt Robert Laing, gespielt von Tom Hiddleston, der nach dem Blockbuster "Thor" und Woody Allens "Midnight in Paris" erneut seine Wandlungsfähigkeit beweist. Er zieht im London der 1970er Jahre in eine architektonische Vision der Zukunft: Ein Betonblock, in dem Vertreter aller gesellschaftlichen Schichten zusammenleben. Während oben dekadente Partys gefeiert werden und die Reichen im Wintergarten sogar ein Pferd halten, regieren bei den Bewohnern der unteren Stockwerke Gier, Triebe und die Wut auf die Zustände. Bei einem Stromausfall bricht Anarchie aus.

Thema und Personalaufstellung von "High-Rise" sorgen damit dafür, das sich hierzulande viele an deutsche Theaterstücke erinnert fühlen dürften. Leider liegt darin auch ein Problem, denn hier wie dort quälen sich gute Schauspieler (darunter Jeremy Irons, Sienna Miller und Elisabeth Moss) zu oft mit einer platten Drehbuch-Weltsicht herum. "Reiche Menschen wollen nicht daran erinnert werden, was schiefgehen könnte", heißt es an einer Stelle. "Die Dinge wären besser, wenn wir es uns leisten könnten, in einen höheren Stock zu ziehen", an einer anderen.

Doch es gibt auch viel Gutes an "High-Rise": Die Bildwelten, die Regisseur Ben Wheatley für seine Dystopie findet, bleiben durchweg aufregend. Die Ausstattung der Wohnungen und die großartigen Kostüme kommen gleichzeitig sowohl retro als auch futuristisch daher. Ein Elektrosoundtrack, bei dem sich sogar die Trip-Hop-Pioniere Portishead trauen, Abbas "SOS" zu covern, tut sein Übriges, um Vergangenheit und Zukunft zu verknüpfen.

High-Rise, Großbritannien, Belgien 2015 - Regie: Ben Wheatley, mit Tom Hiddleston, Jeremy Irons, Sienna Miller, 119 Min.

(dpa)
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