"Die Frau in Gold" Helen Mirren will ihren Klimt zurück

In "Die Frau in Gold" spielt sie eine emigrierte Jüdin, die um die Rückgabe von Nazi-Raubkunst kämpft. Eine alte Dame und ein unerfahrener Anwalt wagen sich bis vor die höchsten Gerichte. Der Film erzählt einen wahren Fall.

Ryan Reynolds als Randol Schoenberg und Helen Mirren als Maria Altmann in einer Szene des Kinofilms "Die Frau in Gold".

Ryan Reynolds als Randol Schoenberg und Helen Mirren als Maria Altmann in einer Szene des Kinofilms "Die Frau in Gold".

Foto: dpa, mbk

Sie ist eine Lady, egal, wen sie spielt: Helen Mirren hat etwas Hochmütiges, das man mag, weil darin Tapferkeit mitschwingt, ein preußischer Stolz, der gespeist wird aus dem Willen, sich nicht unterkriegen zu lassen. So hat sie damals in Robert Altmans "Gosford Park" die strenge Wirtschafterin eines Herrenhauses gespielt. So hat sie für Stephen Frears die britische Queen verkörpert, mit dieser Eisernheit, dieser versnobten Strenge und Selbstdisziplin, die einem dann doch Respekt abnötigt, weil sie etwas Melancholisches ummantelt.

Nun tritt Helen Mirren an, Nazi-Raubkunst zurückzuverlangen. In dem Restitutionsdrama "Die Frau in Gold" spielt sie Maria Altmann. Eine betagte Dame, die in einer großbürgerlichen jüdischen Familie in Wien aufwächst, nach der Machtergreifung Hitlers und Österreichs "Anschluss" an das Deutsche Reich in letzter Sekunde nach Amerika entkommt, aber einen großen Teil ihrer Familie nie wiedersehen sollte. Sie werden von den Nazis ermordet.

60 Jahre später entdeckt Altmann im Nachlass ihrer Schwester Briefe, die belegen, dass die Familie vergeblich versucht hat, fünf Gemälde des Malers Gustav Klimt zurückzufordern. Die Nazis hatten die gediegene Wohnung der Bloch-Bauers mit dem knarzenden Parkett, den antiken Möbeln und der exquisiten Gemäldesammlung geplündert, die Kunstwerke beschlagnahmt. Darunter das weltberühmte Porträt "Adele Bloch-Bauer I", das eine dunkelhaarige Frau mit wehmütigem Blick zeigt, ganz in Gold gehüllt. Das Werk hing Jahrzehnte in der Wiener Gemäldegalerie Schloss Belvedere und ist die Ikone des Wiener Jugendstils. Jeder kennt die Schwelgerei in Gold, die so prunkvoll und doch voller Geheimnis und Traurigkeit ist. Adele galt als die österreichische "Mona Lisa" - und war Maria Altmanns Tante.

In seinem klug konstruierten Drama nach dem wahren Fall erzählt der britische Regisseur Simon Curtis vom nahezu aussichtslosen Kampf der emigrierten Jüdin gegen den österreichischen Staat, der die Werke nicht herausrücken will. Altmann sucht Hilfe beim Anwalt Randy Schönberg, Enkel des Komponisten Arnold Schönberg. Ryan Reynolds spielt diesen leicht verklemmten jungen Mann, der als Jurist in den USA nur mäßigen Erfolg und keinerlei Erfahrung mit Restitutionsverfahren hat. Dennoch wählt Altmann ihn instinktsicher, um ihre Sache zu vertreten. Die alte Dame spürt, dass in ihrem Fall nicht Fachwissen entscheiden wird, sondern der Eifer eines jungen Anwalts, dessen Familie ebenfalls vor den Nazis fliehen musste. Und Geld für teure Spezialisten hat Altmann ohnehin nicht. So hat dieser Film eine perfekte dramaturgische Ausgangslage: eine resolute ältere Frau und ein unerfahrener, aber ambitionierter junger Mann wagen sich ohne Aussichten vor die höchsten Gerichte. David gegen Goliath, da sind die Sympathien klar verteilt.

Natürlich ist das auch eine Gefahr. Nichts ist langweiliger, als ein Gerichtsdrama, in dem die Rollen klar verteilt sind. Doch Curtis gelingt es recht geschickt, die widerstreitenden Positionen in Restitutionsverfahren in sein Drehbuch einzubauen, ohne den Handlungsfluss zu stoppen. So scheint etwa die Frage auf, ob es wünschenswert ist, dass ein Gemälde aus einem öffentlichen Museum verschwindet, um nach einer Versteigerung mit dem Rekordergebnis von 135 Millionen Dollar in den Privatbesitz des Kosmetik-Herstellers Ronald Lauder überzugehen. Natürlich lässt diese Frage das Unrecht außer Acht, das jüdischen Familien wie den Bloch-Bauers während der Nazi-Herrschaft widerfahren ist. In "Die Frau in Gold" bleibt das kein nüchterner Verweis auf historische Fakten, sondern wird erlebbar: Als Maria Altmann nach Wien reist, um ihr Anliegen vorzubringen, werden ihre Erinnerungen wach. Und Curtis zeigt in wenigen, eindringlichen Szenen, wie lebendig und kultiviert es im jüdischen Großbürgertum vor der Machtergreifung der Nazis zuging. Das ist eine Stärke dieses Films, Partei zu ergreifen für die Vergangenheit, indem er sie in Bildern lebendig werden lässt. Wenn dabei auch manche Klischees bedient werden.

In einer der eindringlichsten Szenen steht Helen Mirren schließlich allein in einem gediegenen Saal. Das Urteil ist gefallen, doch Genugtuung will bei ihr nicht aufkommen. Schließlich steht das Bild nur für das ganz andere, so viel größere Unrecht, das sie erlitten hat: Die Nazis haben die Menschen ermordet, die ihre Familie waren, sie haben ihr die Heimat, die Geborgenheit im Leben und ein Stück Identität genommen. Natürlich können Millionen für ein Gemälde das nicht aufwiegen.

"Die Frau in Gold" ist ein Film, der historische Ereignisse und die komplizierte Materie von Restitutionsverfahren schlüssig in ein Drama fasst. Das ist nicht wenig, ergibt aber noch keine Filmkunst. Dafür verharrt Helen Mirren zu unangefochten in der Figur der resoluten Dame, die ihr Schicksal mit Würde trägt. Das kann sie. Vielleicht inzwischen zu perfekt.

(RP)
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