"Der Mann aus dem Eis" im Kino Jürgen Vogel ist der Ötzi

Düsseldorf · Bestechend originell: "Der Mann aus dem Eis" rekonstruiert die Vorgeschichte der Mumie aus den Ötztaler Alpen.

Jürgen Vogel als Kelab im Film "Der Mann aus dem Eis".

Jürgen Vogel als Kelab im Film "Der Mann aus dem Eis".

Foto: dpa, dhy sab

Der Körper des Mannes, um den es in diesem Film geht, gehört zu den am besten erforschten Leichnamen der Menschheitsgeschichte, und trotzdem bleibt sein Schicksal ein Rätsel. 5300 Jahre lag der Ötzi tiefgefroren in einer Gletscherspalte am 3208 Meter hohen Tisenjoch in den Ötztaler Alpen, bevor 1991 Wanderer die gut erhaltene Mumie entdeckten. Seitdem wurde der Eismann nach allen Regeln der Wissenschaft durchleuchtet.

Der Leichnam samt komplett erhaltener Ausrüstung war für Archäologen eines der wichtigsten Fundstücke aus der Jungsteinzeit und warf gleichzeitig auch kriminalistische Fragestellungen auf. Denn die Pfeilspitze im Rücken, eine Fraktur der Schädelnaht sowie Kratz- und Schnittwunden an Arm und Händen wiesen eindeutig darauf hin, dass der Mann in Kampfhandlungen verwickelt war und keines natürlichen Todes gestorben ist.

Aus den Indizien um die mysteriöse Mumie hat Felix Randau mit "Der Mann aus dem Eis" nun einen Film entwickelt, der den "Fall Ötzi" fiktiv rekonstruiert. Sein Jungsteinzeitkrimi ist eine irre Idee von bestechender Originalität. Zumal der Film fast auf Dialoge verzichtet und die wenigen Sätze in einer erfundenen Frühform des Rätoromanischen vorgetragen werden. Jürgen Vogel spielt den Titelhelden mit langem Bart, verfilztem Haar und zeitgenössischer Fellmontur. Dass man darüber nicht lachen muss, ist eine der ersten großen Leistungen des Films, der einen sofort hineinzieht in seine prähistorische Welt.

Ein paar Hütten aus Ästen und Tierhäuten vor dem Felsen an einem Bach - das ist das einzige Rudiment menschlicher Zivilisation, das man zu sehen bekommt. Hier wohnt Kelab (Jürgen Vogel) mit seiner Sippe. Dass Leben und Tod nah beieinander liegen, sieht man in der ersten Szene, in der eine Mutter während der Geburt ihres Kindes stirbt. Bei der Beerdigung ist es Kelab, der die Zeremonie durchführt und ein hölzernes Kästchen mit einem Heiligtum in Händen hält.

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Foto: AP/Atsushi Nishijima

Als der Anführer zur Jagd aufbricht, wird das Dorf überfallen. Krant (André Hennecke) und seine Brüder bringen die ganze Sippe samt Frau und Kindern kurzerhand um und ziehen mit dem heiligen Schrein als Beute weiter. Nach seiner Rückkehr nimmt Kaleb die Verfolgung auf, um sich zu rächen und das Heiligtum zurückzuholen. Blind vor Wut tötet er zwei Händler im Wald und merkt erst zu spät, dass es nicht die Mörder seiner Familie sind. Die Jagd nach den Tätern führt ihn immer höher hinauf in die schneebedeckten Berggletscher.

Mit dem Prinzip Rache behandelt "Der Mann aus dem Eis" ein archaisches Grundmotiv des Kinos vor einer von allen zivilisatorischen Ablenkungen befreiten Kulisse. Bedingungslos fokussiert auf seine Hauptfigur und umgeben von wilder Natur, die hier nicht als Idylle missverstanden, sondern als potenzielle Gefahr inszeniert wird, erzählt Randau seine Ötzi-Geschichte mit dramatischer Klarheit. Fast schon erholsam wirken die reduzierten, kaum verständlichen Dialoge, wodurch der menschliche Erfahrungsprozess aus Aktion, Reaktion und Reflexion in entschlackter Form als moralische Grundsteinlegung erzählt werden kann.

Die Konzentration auf diesen im wahrsten Sinne des Wortes "urmenschlichen" Prozess und die atemberaubenden Aufnahmen alpiner Bergkulissen, die die Bedeutung des menschlichen Seins souverän relativieren, machen "Der Mann aus dem Eis" zu einer der interessantesten Seherfahrungen in diesem Kinojahr.

Der Mann aus dem Eis, Deutschland - Regie: Felix Randau, mit Jürgen Vogel, André Hennicke, Franco Nero, Susanne Wuest, 96 Min.

(RP)
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