"Spectre" mit Daniel Craig Wir brauchen einen neuen James Bond

Düsseldorf · Das aktuelle Konzept hat sich erschöpft. Der neue Bond sollte mehr Gentleman als Terminator sein. Wie wär's mit Rupert Everett?

"Spectre": "James Bond"-Star Daniel Craig in Berlin
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"James Bond"-Star Daniel Craig in Berlin

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Foto: dpa, car cul

Im neuen Bond-Film gibt es eine Szene, in der Daniel Craig Hand in Hand mit einer Frau durch Mexiko-Stadt läuft. Die beiden streben auf ein Hotel zu, sie mögen sich, und man denkt: Gleich wird es galant. Im Zimmer wirft sich die Dame frohgemut auf den Futon, aber Bond kümmert sich nicht, er steigt einfach aus dem Fenster, positioniert sich auf dem Dach, schießt einen Häuserblock in Schutt und Asche, verfolgt einen Gangster, springt in einen Hubschrauber, wirft die Besatzung hinaus und zieht den führungslosen Heli hoch, bevor der in eine Menschenmenge stürzt.

Der Vorgang dauert etwa zehn Minuten, und jeder von Craigs Vorgängern im 007-Amt hätte sich nun den Staub aus dem Smoking geklopft und wäre lächelnd zurückgeflogen, um sich bei der Bekanntschaft für den zeitlichen Verzug zu entschuldigen und die zarten Bande neu zu knüpfen. Was jedoch macht Craig? Er fliegt mit chromverspiegeltem Gesicht ungerührt und durchgeschüttelt heim nach London, um sich dort eine Standpauke halten zu lassen, weil die Aktion so gefährlich war.

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Foto: dpa/Sebastian Kahnert

Ich möchte nicht, dass James Bond so ist, so stumpf. Ich möchte, dass er stellvertretend für mich den Hedonismus feiert und die Sinnenfreude lebt. Angestellter bin ich selbst, deshalb soll mir James Bond zeigen, wie es ist, ein Freigeist zu sein, der sich ausschließlich der Queen verpflichtet fühlt, weil die zumeist weit weg ist. Craigs Bond ist mir zu depressiv, er ist ein traumatisierter Terminator, dem die Welt nicht mehr Spielplatz ist, sondern Schlachtfeld. Fehlt nur, dass er auch noch Vater wird. Er hat nichts Heiteres, und wenn er doch mal mit den Augen zwinkert, dann weil ihm während einer Schlägerei Schweiß über die Brauen rinnt.

"Dein Gefängnis ist hier oben drin", sagte eine Gespielin in "Ein Quantum Trost" und tippte Craig an die Stirn. In der Anfangsszene von "Octopussy" aus dem Jahr 1983 hält man Roger Moore ein schwarzes Objekt mit Goldverzierung hin. Ob er wisse, was das sei. "Ein Fabergé-Ei", antwortet Moore wahrheitsgemäß. Craig würde es wahrscheinlich für eine Handgranate halten. Nicht dass wir uns missverstehen: Das Konzept, das Craigs Bond zugrunde liegt, ist großartig. Nach dem Abschied von Pierce Brosnan musste die Reihe erneuert werden, weil sie im Grunde immer noch den überkommenen Idealen der Sixties verpflichtet war: Bond wirkte wie seine eigene Persiflage, und die Reihen "Mission: Impossible" und "Sherlock Holmes" boten längst die besseren Bond-Filme. Craig war anders: körperlicher, brutaler, nervöser, irgendwie zerquält. Er war der ideale Bond für die chaotische Gegenwart, ein versonnener Kerl, der zugab, die Übersicht verloren zu haben und überfordert zu sein.

Craigs Bond ist der erste, dem eine Biografie zugestanden wird; schwierige Kindheit inklusive. Das entspricht den veränderten Sehgewohnheiten des Publikums, das durch lange und komplex gebaute US-Serien geschult ist. Früher kehrten Bösewichter wie Blofeld oder der Beißer nur ausnahmsweise wieder, ansonsten wurde für jeden neuen Bond Tabula rasa gemacht. Die vier Bond-Filme mit Craig wirken dagegen wie eine Soap Opera. Im aktuellen Film "Spectre" fahndet Craig immer noch nach den Hintermännern der Terroranschläge in seinem ersten Bond-Film "Casino Royale", und die Dämonen der Vergangenheit suchen ihn erneut heim: Vesper Lynd, Le Chiffre, Raoul Silva haben ihre Auftritte.

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Zudem war kein Bond zuvor filmisch so hochwertig. Sam Mendes, der die letzten beiden Lieferungen verantwortet, inszenierte für Theaterbühnen und ist Regisseur von Kino-Meisterwerken wie "American Beauty". Man spürt das in jeder Minute. Er holt Bond in die Gegenwart, thematisiert Digitalisierung, Rationalisierung und Optimierungswahn. Er würzt die Handlung mit Anleihen bei Ibsen und Kafka. Er hat alles richtig gemacht.

Nach dem vierten Teil hat sich dieses Erneuerungskonzept jedoch erschöpft. Auf der Figur des Bond lasten inzwischen so viele Probleme, dass er wie gelähmt wirkt. Ein trauriger Krieger, der von seiner maßgeschneiderten Rüstung gestützt wird. Jüngere rücken in die Chefetagen nach, sein Körper zeigt Verschleißerscheinungen, und nun soll auch noch das 00-Agenten-Programm eingestellt werden. Ständig denkt man als Zuschauer daran, wie Nachgeborene über unsere Zeit urteilen werden, wenn sie diesen Bond sehen: Die waren ja arm dran!

Eine wichtige Komponente der alten Bond-Filme war stets der Aspekt des Eskapismus. Man folgte diesem Kerl um die Welt und war sicher, dass ihn nichts aus der Ruhe bringen und dass er nie aus der Rolle des Gentleman fallen würde. "Fahr zur Hölle, James", zischte Erzfeind 006 in "Goldeneye". Pierce Brosnan antwortete: "Nach Ihnen."

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Ich sehne mich sicher nicht nach den misogynen und weltfremden Tendenzen der aus heutiger Sicht bisweilen arg lächerlichen 60er-Jahre-Bonds. Aber ich möchte auch keinen kummergierigen Bond, den man in den Arm nehmen muss. Sondern einen, der mich herauszieht aus Mietwohnung und Kleinwagen und mit mir zweieinhalb Stunden lang über meine Verhältnisse lebt. Einen, der seine virile Machtlässigkeit auch im Vollkontakt mit dem Gegner mit Selbstironie würzt. Ein Bond muss Lust am Sinfonischen in der Welt haben — die Welt ist nicht genug. Craig hat das nicht. Als er in "Spectre" Moneypenny nachts mit einem Mann erwischt, sagt sie: "Das nennt man Leben, James."

Craig hat ja bereits angedeutet, dass er nicht länger Bond sein möchte, obwohl sein Vertrag weiterläuft. Mein Vorschlag: Die Qualität bewahren, die Craig gebracht hat, und dennoch den Charme zurückholen, den Esprit, die Leichtigkeit und Britishness. Der neue Bond soll Rupert Everett heißen. Oder Colin Firth.

(hol)
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