Düsseldorf Die Berlinale bewährt sich als politisches Festival

Die Dokumentation "Fuocoammare" des italienischen Regisseurs Gianfranco Rosi wurde bei der Berlinale mit dem Goldenen Bären für den besten Film ausgezeichnet. Die Produktion war am dritten Festivaltag gezeigt worden, und nach der Aufführung ahnten bereits die meisten Beobachter: Das wird der Sieger sein. "Das Herz der Berlinale" nannte denn auch Jury-Präsidentin Meryl Streep die Produktion, für die Rosi ein Jahr lang auf Lampedusa verbracht hat, jener Insel zwischen Afrika und Europa, die zum Synonym für das Flüchtlingsdrama geworden ist.

Berlinale 2022 - das sind die Gewinner - Fotos vom Goldenen Bär
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Das sind die Gewinner der Berlinale 2022

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Foto: dpa/Christoph Soeder

Rosi, der vor drei Jahren mit seiner Dokumentation "Sacro GRA - Das andere Rom" in Venedig gewann, begleitet Menschen, die auf der Insel leben, und er protokolliert die Ankunft immer neuer Boote mit Flüchtlingen. Er bringt auf ästhetisch überzeugende und sehr anrührende Weise das Nebeneinander von Alltag und Überlebenskampf ins Bild. Ein verdienter Sieger - und außerdem genau der Film, den sich ein Festival, das sich als politisch begreift, im Februar 2016 wünscht, wie Meryl Streep sagte.

Als beste Schauspielerin wurde Trine Dyrholm mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet. Die Dänin spielt die Hauptrolle in Thomas Vinterbergs spät ins Festival gestartetem Film "Kollektivet". Sie ist dort eine Fernsehjournalistin, die mit ihrem Mann eine Kommune gründet. Erst ist alles gut, dann verliebt sich der Gatte in eine Jüngere, und daran zerbricht die Ehefrau allmählich. Der Film ist nicht durchweg gelungen, aber Dyrholm macht das großartig, sehr fein, sehr eindringlich. Die 43-Jährige gilt als Instanz im europäischen Autorenfilm, sie trat etwa in Vinterbergs Film "Das Fest" (1997) auf und in "The Cut" (2014) von Fatih Akin.

Als bester Darsteller wurde Majd Mastoura für sein Spiel in dem tunesischen Debütfilm "Inhebbek Hedi" geehrt - die Produktion von Mohamed Ben Attia bekam auch den Preis fürs beste Erstlingswerk. Den Alfred-Bauer-Preis für besondere filmische Perspektiven erhielt der philippinische Beitrag "Hele Sa Hiwagang Hapis" ("A Lullaby to the Sorrowful Mystery") von Lav Diaz. Er dauert acht Stunden und erzählt in schwarzweißen Bildern im kleinen Digitalformat von der Revolution auf den Philippinen.

Bemerkenswert ist der Preis für die beste Regie, den bekam nämlich die Französin Mia Hansen-Love, deren Filme "Der Vater meiner Kinder" (2009) und "Eden" (2014) viele Zuschauer hatten. Die 35-Jährige ist ein großes Talent, und sie zeigte in Berlin ihre bislang beste Arbeit: In "L'avenir" spielt Isabelle Huppert eine Philosophielehrerin, die von ihrem Mann verlassen wird. "L'avenir" ist ein konsequenter, strenger Film, eine brillante Charakterstudie und einer der Höhepunkte des Festivals.

Überhaupt sind alle Entscheidungen nachvollziehbar. Das ist ein Jahrgang, der zwar keinen alles überragenden Film bietet, aber fast durchgängig von hoher Qualität ist.

(hols)
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