68. Internationale Filmfestspiele Berlin Politische Töne auf der Berlinale

Berlin · Mit einer Gala am Potsdamer Platz sind die 68. Internationalen Filmfestspiele Berlin eröffnet worden. Turnschuhe wurden zum Statement in der #MeToo-Debatte, und Festivaldirektor Kosslick machte sich für einen inhaftierten Journalisten stark.

Berlinale 2020: Die Stars bei den 70. Filmfestspielen in Berlin - Fotos
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Die Stars bei der Berlinale 2020

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Foto: AFP/JOHN MACDOUGALL

Die große Frage war vorher: Wie zeigt sich die deutsche Prominenz in Zeiten der #MeToo-Debatte? Bei der Verleihung der Golden Globes in Hollywood waren die Stars wegen der Debatte um Machtmissbrauch und sexuelle Gewalt in Schwarz gekommen. Bei der Gala am Potsdamer Platz herrschte dann Berliner Freistil: Vielleicht wurde etwas mehr Schwarz getragen, vielleicht waren auch ein paar Hosen mehr als sonst zu sehen.

Die Spanne reichte von der hochgeschlitzten Robe bis zum Turnschuh. Einige Beispiele: Heike Makatsch kam im roten Hosenanzug, Iris Berben im schwarzen Ensemble mit Bein. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) war nicht absichtlich in Schwarz gekommen, aber extra in Hosen - "weil wir nicht nur über Männer in Bademänteln sprechen sollten, sondern auch über Frauen, die die Hosen anhaben". Die Schauspielerin Anna Brüggemann trug dagegen Turnschuhe. Sie hatte angesichts der #MeToo-Debatte auf Facebook dazu aufgerufen, bei der Berlinale auf die klassische Rollenverteilung in der Kleiderordnung zu verzichten und nach eigenem Geschmack zu kommen. Der Aufruf stand unter dem Schlagwort "Nobody's Doll" (etwa: Niemandes Puppe). Brüggemann trug einen passenden Anstecker.

Die Berlinale wird einige Veranstaltungen zu #MeToo im Programm haben. Vor der Eröffnungsgala hatte Berlinale-Direktor Dieter Kosslick im Deutschlandfunk gesagt, er glaube, "dass sich dieses Thema über die ganze Berlinale hinzieht". Tykwer sagte, es sei gut, "dass die Debatte nicht künstlich befeuert und genauso wenig unterbunden wird". Wichtig sei, das Thema "sachlich" zu behandeln. Die Debatte war durch den Skandal um die Missbrauchsvorwürfe gegen Hollywood-Produzent Harvey Weinstein losgetreten worden. Spätestens mit den Vergewaltigungsvorwürfen mehrerer Schauspielerinnen gegen Regisseur Dieter Wedel erreichte die Debatte auch die deutsche Kulturindustrie.

Es ging aber auch um ein anderes Thema: Festivaldirektor Kosslick machte sich für den Journalisten Deniz Yücel stark, der seit einem Jahr in der Türkei in Haft sitzt. Kosslick erinnerte auch an den inhaftierten ukrainischen Regisseur Oleg Senzow. "Ich hoffe, wir können erreichen, dass sie bald frei (sein) werden", sagte er am Donnerstagabend. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte bei der Gala: "Wir sollten in einer Welt leben, in der die Grenzen des Gegenübers ganz selbstverständlich respektiert werden. Sexismus, Rassismus, Antisemitismus gehen uns alle an."

An der Gala am Donnerstagabend nahmen viele Filmstars teil, unter anderem Helen Mirren, Bill Murray, Tilda Swinton und Greta Gerwig. Als Eröffnungsfilm stand die Weltpremiere des Animationsfilms "Isle of Dogs" von US-Regisseur Wes Anderson auf dem Programm. Die Berlinale gilt als das weltgrößte Publikumsfestival und zeigt in diesem Jahr 385 Filme in verschiedenen Sektionen. Eine sechsköpfige internationale Jury unter Tykwers Vorsitz wird unter 19 Filmen im Wettbewerb die Bären-Gewinner auswählen. Einen Ehrenbären für sein Lebenswerk erhält der US-Schauspieler Willem Dafoe. Die Auszeichnungen werden am 24. Februar vergeben. Am folgenden Tag endet das Filmfestival.

(wer)
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