Kultfilm "Dr. Seltsam" Atombombenstimmung

Heute vor 53 Jahren kam Stanley Kubricks "Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben" in die deutschen Kinos. Er ist aktueller denn je.

 9. August 1945: Eine amerikanische Atombombe trifft das japanische Nagasaki.

9. August 1945: Eine amerikanische Atombombe trifft das japanische Nagasaki.

Foto: ap

Das weltpolitische Klima ist aufgeheizt und instabil wie seit Jahrzehnten nicht: Die USA greifen nicht nur zur Empörung Russlands und des Iran mit Raketen einen syrischen Flugplatz an, als Vergeltungsakt für den Giftgas-Angriff auf Zivilisten am Dienstag. Die Amerikaner schicken auch eine Flugzeugträger-Flotte in Richtung Asien, um Nordkorea einzuschüchtern, das wiederum mit China verpartnert ist.

Politische Satiriker macht das nicht etwa vorsichtiger, im Gegenteil: "Huuuuui! Große Raketen machen Bumm" habe Donald Trump getwittert, als in Syrien die amerikanischen Marschflugkörper einschlugen, heißt es auf der britischen Satireseite "News Thump". Außerdem habe der US-Präsident bei Twitter geschrieben "Donnie spielt mit Atombömbchen", woraufhin Regierungssprecher Sean Spicer habe erklären müssen: "Der Präsident hat nicht die Absichten, einen Atomangriff zu starten — zumindest, so weit wir wissen."

Dieser schwarzhumorige Scherz funktioniert deshalb so gut, weil Tweets des mächtigsten Mannes der Welt über Atomwaffen eben nicht so undenkbar sind, wie sie sein sollten.

Mit einem entsprechend anderen Blick sieht man heute Stanley Kubricks "Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben", der am 10. April 1964 in die deutschen Kinos kam. In der bitterbösen Groteske auf dem Fundament der Realität bricht ein Atomkrieg aus — und das, obwohl der US-Präsident in dieser Geschichte die Stimme der Vernunft ist, der Gegenspieler zu einem impulsiven, aggressiven Verschwörungstheoretiker mit Golftasche.

Die bösen Russen hätten schon seit Jahren das amerikanische Wasser vergiftet, faselt dieser, und derzeit liefen Versuche, "auch andere Dinge zu fluoridieren: Salz, Mehl, Zucker, Milch... sogar Speiseeis für Kinder!" An Selbstbewusstsein und Selbstgerechtigkeit mangelt es dem General, der den Atomangriff auf eigene Faust ausgelöst hat, nicht: "Im Leben nach dem Tod muss ich für das, was ich getan hab, geradestehen — und ich denke, das kann ich!" Die störrischen Militärs denken gar nicht daran, die massenmörderische Mission abzubrechen: "Glaubst du, ich fliege so weit und schmeiß' das Ding dann in den Bach?"

Der US-Präsident im Film (Peter Sellers in einer von gleich drei Rollen) versucht es derweil mit Diplomatie, will sich aber ebenfalls als Opfer verstanden wissen: "Mir tut es auch leid, Dimitri, sehr leid", versichert er seinem russischen Amtskollegen mit Bezug auf den laufenden Atomangriff. "Sie können nicht sagen, dass es Ihnen mehr leid tut als es mir leid tut. Es tut uns beiden gleich leid, einverstanden?" So ganz möchte er sich die Atombombenstimmung dann doch nicht verderben lassen.

Kubrick selbst hatte seine Motivation, diesen Film zu machen, 1965 wie folgt erklärt: "Dass die Atombombe seit dem Zweiten Weltkrieg weder absichtlich noch versehentlich gegen Menschen eingesetzt wurde, gleicht der Situation einer Fluggesellschaft, die in 20 Jahren keinen Absturz hatte. Man muss eine solche Leistung zwar bewundern, aber man weiß auch, dass es nicht ewig so weitergehen kann".

Inzwischen sind es fast 72 Jahre. Aber dafür, dass es 75, 80, 100, 200 werden, gibt es keine Garantie. "Gebrauchsanweisung für Anfänger in der sorgenfreien Liebe zu Atomwaffen" lautet in österreich der Untertitel von Kubricks Films. Diese Liebe ist nicht erkaltet. Zu Weihnachten 2016 hat Donald Trump nach Jahrzehnten der Abrüstungsbemühungen ein neues nukleares Wettrüsten angekündigt.

"Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben" kommt immer mal wieder im Fernsehen und ist derzeit auch bei Netflix zu sehen.

(tojo)
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