Jetzt im Kino Nahezu perfekt: Kriegsfilm "A Perfect Day" mit Benicio Del Toro

Ein perfekter Tag sieht für jeden anders aus. Mambrú und B, zwei langjährige Mitarbeiter einer internationalen Hilfsorganisation, haben da ähnliche Vorstellungen. Zumindest heute. Es wäre toll, wenn sie einen dicken toten Mann - lakonisch "Fettsack" genannt - aus einem Brunnen ziehen könnten, weil die Leiche sonst in 24 Stunden das Trinkwasser eines Dorfes verseucht. Schon halb gerettet wäre der Tag, könnten sie für die Aktion ein Seil auftreiben. Klingt so einfach. Ist aber komplizierter als ein Schlachtplan.

Wann immer das Kino vom Krieg erzählt, stellt es den Fokus wahlweise auf seine Glorie oder seinen Wahnsinn. Kein Regisseur zwischen Stone und Spielberg , der nicht sein Schlachtenepos im Kasten hätte. Kaum ein Star von Hanks bis Pitt, der nicht mit stoischem Heldengesicht durch den Kugelhagel gestapft wäre. "A Perfect Day" des spanischen Regisseurs León de Aranoa ("Princesas") interessiert sich nun kein bisschen für die Typen mit den Abzeichen. Sondern für jene, die bleiben, wenn der Spuk vorbei ist. Die sich dem Dienst am Menschen verschreiben, nicht dem an der Waffe, und die Trümmer aufsammeln. Figuren, die mitten in der Diskussion über Flüchtlinge und die Sicherheit von Herkunftsländern genau die richtige Geschichte erzählen.

Basierend auf dem Roman "Dejarse Ilover" der spanischen "Ärzte ohne Grenzen"-Mitarbeiterin Paula Farias zeigt de Aranoa das Alltagschaos eines Hilfsarbeiterteams irgendwo in der Krisenregion Balkan um 1995. Im Zentrum des Geschehens steht resigniert, aber fest der Veteran Mambrú, wunderbar erfasst von Benicio Del Toros charismatischer Nuschelei, dieser Art, immer ein wenig kaputt und übernächtigt auszusehen. An seiner Seite drischt Tim Robbins als Logistikbeauftragter B die lustigen Sprüche, in die schlaksige Coolness ein neuer Hauch weißbärtige Weisheit gemischt. Dann sind da noch, etwas klischeehaft, die sexy Konfliktanalystin und Mambrú-Ex-Affäre Katya (Ola Kurylenko), Dolmetscher Damir (Fedja Stukan) und Sophie (Mélanie Thierry), die Neue, die tatsächlich noch glaubt, es bringe was, auf UN-Offizielle einzureden.

Kein Seil, wo das Team es auch versucht. Von feindseligen Dörflern wird Mambrú abgewiesen, man brauche die Seile, "um Leute aufzuknüpfen". Kreuz und quer kriechen die zwei Jeeps übers staubige Land, aus der Vogelperspektive gefilmt, verlorene Winzlinge in einem Irrgarten. Gelegentlich, wenn eine verminte Kuh auf der Straße liegt, reduziert sich alles auf die Frage: rechts oder links vorbei oder drüber? Und wie Mambrú und B sich schließlich ihr Seil beschaffen, das ist so böse und traurig und tief realistisch, wie das Kino sich das selten traut.

Kunstvoll schwarzhumorig webt de Aranoa das Sozialdrama in die Buddykomödie, das Roadmovie in den Kriegsfilm. Seine Helden mühen sich ab in einem fremden Land, das sie nicht begreifen. Schließlich lösen die Einheimischen das Problem mit dem Brunnen selbst.

Es wird doch noch ein perfekter Tag. In einem nahezu perfekten Film.

(RP)
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