Feuergefecht in Albanien

"Deutschland dienen": 17 Soldaten berichten aus ihren Auslandseinsätzen.

"Schieß doch, Junge, schieß!", befiehlt der Oberst dem verunsicherten jungen Soldaten am Maschinengewehr. 14. März 1997, die Bundeswehr in ihrem ersten Feuergefecht. Zwei Panzerfahrzeuge bedrohen in der albanischen Hauptstadt Tirana die angstvoll wartenden Menschen, die aus bürgerkriegsähnlichen Unruhen in dem Balkan-Land gerettet werden sollen. Die Angreifer werden abgewehrt. Ein 88-köpfiges Kommando bringt mit sechs Hubschraubern trotz Beschusses rund 100 Zivilisten aus 22 Nationen unverletzt in Sicherheit.

Die dramatische Evakuierungsoperation mit der harmlosen Bezeichnung "Libelle" war ein großer Erfolg. Trotzdem ist dieser erste Kampfeinsatz der Bundeswehr längst vergessen. "Deutschland dienen" von Carsten Barth und Oliver Schaal will dieses und andere Ereignisse, bei denen deutsche Soldaten ihr Leben riskierten, wieder in Erinnerung rufen. Das Buch lässt allein die Betroffenen sprechen; es ist politisch neutral und bewertet nicht die Ziele, Erfolge und Misserfolge der Einsätze. Entstanden ist ein kleines Denkmal aus Papier für diejenigen, die im Namen aller Deutschen weltweit in gefährliche Einsätze geschickt werden.

"Unsere Gesellschaft nimmt auch nach 25 Jahren Einsatz kaum wahr, dass deutsche Soldaten und deren Familien irgendwo auf unserer unruhigen Welt Tag für Tag Gefahren und Entbehrungen auf sich nehmen und Opfer bis hin zum Verlust des Lebens für unser Land bringen", schreibt der ehemalige Generalinspekteur Klaus Naumann in seinem Geleitwort.

"Was machen eigentlich unsere Soldaten?", fragten sich Barth und Schaal. Zwei Jahre lang arbeiteten sie an dem Buch, erstellten ein authentisches Bild der Einsätze aus Sicht der Soldaten. 17 Frauen und Männer vom Obergefreiten bis zum General kommen zu Wort. Ihre sehr persönlichen Schilderungen von der Kurdenhilfe im Irak 1991 über den Schutz der Wahlen im Kongo 2006 bis hin zur Flüchtlingsrettung im Mittelmeer 2015 machen das Buch zu einer spannenden Lektüre.

Außergewöhnlich ist auch die gegensätzliche Biografie der beiden Autoren: Barth diente als Offizier bis zum Dienstgrad Hauptmann, Schaal verweigerte den Wehrdienst aus Gewissensgründen. "Die Idee kam mir, nachdem ich ein Buch über Kriegsfotografen gelesen hatte", berichtet Schaal. Sein Fazit: "Die Soldaten wollen keine Konfetti-Parade, wenn sie aus dem Einsatz zurückkehren. Sie wünschen sich einfach etwas mehr Respekt und Anerkennung."

Die Deutschen und "ihre" Bundeswehr, das sei ein schwieriges Verhältnis, meinen die Autoren. Eine Würdigung, wie sie in den USA und Großbritannien gesellschaftlicher Konsens ist, werde den einzelnen Soldaten in Deutschland kaum entgegengebracht. "Sie haben eher noch das Gefühl, sich entschuldigen zu müssen", sagt Barth.

(mic)
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