Comedystar Dirk Stermann "Es ist unsere Aufgabe, uns über Rechte lustig zu machen"

Düsseldorf · In Deutschland kennen ihn nur Eingeweihte, in Österreich die halbe Republik. Der Rheinländer Dirk Stermann ist dort seit mehr als zehn Jahren mit einer Late-Night-Show erfolgreich – und macht sich nun über die Rechten in der Regierung lustig.

 Dirk Stermann - Moderator, Komiker, Autor

Dirk Stermann - Moderator, Komiker, Autor

Foto: Udo Leitner

In Deutschland kennen ihn nur Eingeweihte, in Österreich die halbe Republik. Der Rheinländer Dirk Stermann ist dort seit mehr als zehn Jahren mit einer Late-Night-Show erfolgreich — und macht sich nun über die Rechten in der Regierung lustig.

In Österreich sind Sie anders als in Deutschland ein Star. Sogar berühmter als Mario Barth?

Dirk Stermann Wahrscheinlich. Man wird in Österreich allerdings recht schnell berühmt, weil das Land überschaubar groß ist mit acht Millionen Einwohnern. Mein Kollege Christoph Grissemann und ich waren ewig beim Radio, haben seit zehn Jahren eine Fernsehsendung. Da hat man schnell einen Bekanntheitsgrad von 90 Prozent.

Österreich hat seit einigen Wochen eine Regierung, in der auch die rechtspopulistische FPÖ sitzt. Ein Fan der Partei sind Sie nicht gerade. Wie sicher ist Ihre TV-Show "Willkommen Österreich"?

Stermann Wir senden ja auf einem öffentlich-rechtlichen Sender und der hat einen Stiftungsrat, in dem die neue Regierung die ganz große Mehrheit hat. Es wäre aber zu auffällig und dumm, eine Sendung wie unsere gleich abzusetzen. Die sind auch alle bemüht, so zu tun, als sei alles gar nicht so schlimm, wie das Ausland tut. Wobei das Ausland gar nicht so falsch liegt.

Sind Rechtspopulisten im Parlament und erst recht in der Regierung ein Glücksfall für berufsmäßige Humoristen?

Stermann Humoristen können nicht so meschugge sein zu übersehen, dass es auch sie betrifft. Wir sind ja auch Menschen. Es ist keine angenehme Vorstellung, wenn 25 Burschenschafter im Parlament sitzen. In Deutschland habe ich immer gedacht, dass das eine Art Karnevalsgruppe in hässlichen Verkleidungen ist, die niemand ernst nehmen muss. Hier muss man sie ernst nehmen, weil sie wichtige Positionen bekommen haben. Von der Burschenschaft mit dem schrecklichen antisemitischen Liedbuch ist ein Foto aufgetaucht von einer Karnevalsfeier, auf dem sie alle Ku-Klux-Klan-Kostüme tragen. Rassisten verkleiden sich als Rassisten.

Sie verzichten also gerne auf Material für Ihre Sendung, wenn diese Leute dafür nicht so stark vertreten sind?

Stermann Das wäre mir lieber. Es ist auch so lustig genug in Österreich.

Haben politische Humoristen im Zeitalter des Populismus eine besondere Aufgabe?

Stermann Die besondere Aufgabe aufzupassen, hat jetzt die Politik selbst. Da werden gerade viele Appelle an unseren jungen, feschen Bundeskanzler gerichtet. Aber es ist genauso wenig die Aufgabe von Humoristen wie von Metzgern und Straßenbahnfahrern.

Warum reden Sie dann über solche Themen in Ihrer Show?

Stermann Weil wir darüber sprechen, was gerade passiert. Ich rede lieber darüber, wenn die österreichische Fußballnationalmannschaft lustige Sachen macht. Es ist aber schon unsere Aufgabe, sich über Rechte lustig zu machen. Das mögen die nicht. Sie möchten martialisch sein und nicht als Clown dargestellt werden.

Verharmlost ein Comedian Populisten nicht, wenn er sie zu Witzfiguren macht?

Stermann Das finde ich nicht. Wir machen ja denen Mut, die diese Entwicklungen kritisch sehen. Wir können nicht immer denken "Oh Gott, oh Gott, oh Gott". Das würden fünf trübe Jahren werden. Diese Ventilfunktion ist wichtig.

Es sind vielleicht Clowns, aber Clowns mit Macht.

Stermann Genau. Wir dürfen nicht unterschätzen, dass diese Leute eine Machtposition haben. Aber dass sie damit verantwortlich umgehen, können wir auch lustig anmahnen.

Sie haben großen Vorsprung, was den Umgang mit Populisten betrifft. Was empfehlen Sie Ihren deutschen Kollegen?

Stermann Da habe ich gar keine Vorschläge. Jan Böhmermann, der ja wenig Erfahrung hat, lehnt sich immer weit raus — und das finde ich gut.

Nach einer Definition des Politologen Jan-Werner Müller richtet sich Populismus gegen eine vermeintliche Elite und beansprucht, für das Volk zu sprechen. Ich würde hinzufügen, er appelliert an niedrige Instinkte. Ist Comedy also nicht selbst populistisch?

Stermann Das Ziel einer humoristischen Fernsehsendung ist es, gute Quoten zu holen. Insofern ist man als Comedian auch Populist. Andererseits grenzt man durch Humor auch viele aus, weil Humor eine Art Code ist, den nur bestimmte Leute verstehen. Wir machen nicht für alle Humor, sondern machen das, was wir selber lustig finden.

Sie haben in einem Interview gesagt, dass Comedians wie Mario Barth vom Humorverständnis her rechts sind.

Stermann Weil es Klischee pur ist, antifeministisch. Das bedient einfachste Humorbilder. Ich und die anderen. Meine Frau kauft ein, ich muss warten. Das will verstanden werden von allen Menschen, die keine besondere Lust haben nachzudenken.

Wenige Tage nach der Beerdigung des Rechtspopulisten Jörg Haider haben Sie sich in Ihrer Show über die Trauer lustig gemacht.

Stermann Über die Berichterstattung. Es war eine Art Staatsakt, der stundenlang im Fernsehen übertragen wurde. Bekannte aus Kärnten haben uns erzählt, dass Grundschüler dort eine Schweigestunde für Jörg Haider einlegen mussten. Dabei hatte Haider kurze Zeit vorher den österreichischen Staat noch als Missgeburt bezeichnet. Wir haben die Sendung für die Leute gemacht, die Jörg Haider nicht heilig sprechen wollten. Das war etwas unheimlich.

Warum unheimlich?

Stermann Auf seiner letzten Pressekonferenz hatte Haider sich mit seinem Assistenten darüber lustig gemacht, dass sie Asylbewerber mitten im Wald auf einem Berg, der auch noch Saualm hieß, einquartieren wollen, weil diese dann nicht mehr weg können. Die haben die ganze Zeit gelacht. Auf der nächsten Pressekonferenz, nach Haiders Tod, hat dieser Assistent geweint. Wir fanden falsch, dass man alles, was man Haider vorwarf, ihm nach seinem Tod nicht mehr vorwerfen durfte.

Ich würde behaupten, in Deutschland wäre Ihr Beitrag über Haiders Tod nicht möglich gewesen.

Stermann In Österreich ist schon viel möglich, das spricht für das Land. Da gibt es eine barocke Herangehensweise an Humor. Viele deutsche Kollegen sagen uns: Wow, das dürften wir alles nicht. Wir lehnen uns weit raus, das wissen wir. Ich finde es aber auch notwendig.

Was meinen Sie mit "barocker Herangehensweise"?

Stermann Österreich ist ein katholisches Land. Man kann, wenn man was Schlimmes sagt, hinterher immer noch beichten gehen. Hier sagt man ganz oft arge Sachen. Wenn österreichische Komiker in Deutschland auftreten, merken die deutschen Zuschauer oft gar nicht, wie arg das ist, was sie sagen, weil es so charmant klingt. Das fällt ja in Österreich weg. Hier ist der Humor einfach härter. Härter gegen sich selbst. Härter gegen das Leben.

Woher kommt die Härte gegen sich selbst?

Stermann Wien ist ein melting pot. Aber anders als in New York haben sich hier immer Menschen aus depressiven Völkern vermischt. Ungarn, Slowenen, Ruthenen. Das ganze gemischt mit jüdischem Humor. Ich glaube, so ist das entstanden.

In Deutschland fallen nach schlimmen Ereignissen wie einem Terroranschlag schon mal Satiresendungen aus. Warum zieht sich Satire gerade da zurück?

Stermann Es kommt darauf an, was passiert. Wenn gerade etwas ganz Furchtbares passiert, muss man sich fragen, ob die Leute nicht auch mal das Recht haben, in Ruhe gelassen zu werden. Das finde ich verständlich. Wenn die Familie plant, abends auf eine Karnevalsfeier zu gehen, und um 18 Uhr stirbt der Vater, dann geht sie nicht trotzdem zur Karnevalsfeier.

Sie treten auch in Deutschland auf. Würden Sie am Lachen erkennen, ob Sie gerade in Deutschland oder Österreich auf der Bühne stehen?

Stermann In Deutschland treten wir in der Regel nur in Berlin und München auf. Aber wenn wir Ausflüge in andere Gegenden gemacht haben, waren die Leute doch sehr verwirrt. Wir waren mal beim Köln Comedy Festival und sind dort als Nazi-Fernsehköche aufgetreten. Das hatte damals schon drei, vier Millionen Klicks auf Youtube. Deshalb dachten wir, dass die das kennen. Kannten sie aber offensichtlich nicht und waren völlig verunsichert. Da waren zwei Menschen aus Österreich, die wie Nazis aussahen - sie waren nicht sicher, ob sie sich Nazis anschauten.

Muss man sich einen schweigenden Saal vorstellen?

Stermann Es war leichte Betroffenheit im Raum.

Gibt es etwas, das Ihnen als Deutscher am österreichischen Humor immer fremd bleiben wird?

Stermann Viele arbeiten sich an ihrer vom Katholizismus geprägten Kindheit in ländlichen Gebieten ab. Das ist mir ein bisserl fremd. Aber ich mag die Härte. Ich mag, dass man sich selber der größte Gegner ist. Man macht in Wahrheit Witze über sich selber. Nur weil wir in der Sendung erst mal schlecht über uns selbst reden, können wir auch andere Dinge anprangern.

Es gibt in Ihrer Show einen Außenreporter wie in der "Heute Show". Nur ist der bei Ihnen deutlich trockener angelegt.

Stermann Wir suchten jemanden, der möglichst langweilig ist, vom Äußeren ein hinterer ORF-Redakteur. Dann sind wir darauf gekommen, dass einer unserer Autoren, Peter Klien, so eine Figur ist. Er ist Altphilologe und arbeitet eigentlich in einer Bibliothek. Das funktioniert sehr gut.

Was funktioniert denn in Österreich nicht, was in Deutschland zuverlässig zieht?

Stermann Dafür kenne ich mich mittlerweile mit deutschem Humor in Wahrheit zu schlecht aus. Aber auch in Österreich gibt es Schenkelklopfer. Es gibt in Österreich auch den Villacher Fasching, jedes Jahr die erfolgreichste Fernsehsendung in Österreich. Dagegen ist Mainzer oder Kölner Karneval eine Philosophenveranstaltung. Da können die Österreicher den Deutschen nichts vorwerfen.

Sie sind im Rheinland aufgewachsen. Welchen Bezug haben Sie zum rheinischen Karneval?

Stermann Als Kind wäre ich gerne hingegangen, aber mein Vater ist an Rosenmontag mit uns immer nach Holland gefahren. Als ich älter wurde, habe ich es selber abgelehnt. Aber nach einigen Jahren in Wien kriegte ich heimatliche Gefühle. Dann habe ich eine Reportage fürs österreichische Radio über den Karneval in Düsseldorf gemacht und war den ganzen Karneval in der Altstadt.

Und?

Stermann Super. Ich fand es großartig, dass eine Stadt, die so auf Wirtschaft ausgerichtet ist, drei Tage lang total betrunken ist. Eine Woche lang kann dort niemand mehr Geschäfte machen, weil die Leute außer Rand und Band sind.

(seda)
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