Stuttgart Erster NSU-Krimi erobert die Spiegel-Bestsellerliste

Stuttgart · Wolfgang Schorlau ist einer der spätberufenen Autoren. Mit 50 - das war vor 14 Jahren - wurde er das, was man einen Berufsschriftsteller und was Schorlau einen Lebenstraum nennt. Schorlau lebt in Stuttgart wie auch der Privatermittler seiner Kriminalromane, Georg Dengler. Und vor drei Jahren wurde Schorlau mit dem Stuttgarter Krimipreis geehrt.

Das klingt arg nach Provinz, die man vielleicht auch zu leichtfertig aus dem Blick verliert. Dass Dengler und mit ihm auch Schorlau jetzt weit über Stuttgarts Stadtgrenzen hinaus bekannt und der achte Kriminalfall, "Die schützende Hand", Platz zwei der Spiegel-Bestsellerliste erreicht hat, ist kein Beleg für den späten, großen literarischen Wurf. Sondern zunächst einmal für die Popularität des Stoffes. Denn Georg Dengler ermittelt in Sachen NSU-Terrorzelle. Dieser Stoff ist so aktuell, dass der Krimi während des laufenden Verfahrens erschienen ist. Und was den Autor bewog, sich in einem Nachwort ein paar Gedanken über Finden und Erfinden zu machen. Darin liest man dann von dem eben nicht geringen Anspruch des Autors, mehr als "eine gute Geschichte" schreiben zu wollen. "Es geht um die Suche nach Wahrheit."

Das ist bei dieser komplexen Sachlage heikel und wird nicht leichter dadurch, dass immer wieder Akten umfänglich zitiert werden. Das eigentlich Schwierige: Dengler ist einer Verschwörungstheorie auf der Spur. Plötzlich gerät der Staat selbst ins Zwielicht. Die Fragen nach Schuld von Mord und Selbstmord werden unheimlich, die Antworten diffus. Und wenn sich Dengler am Ende dieses auch literarisch allenfalls mäßigen Krimis fragt, ob er zeitlebens nicht ein falsches Bild von diesem Land und seiner Rechtsstaatlichkeit hatte, so wird dies problematisch. Die Opfer? Spielen keine Rolle. Die Neonazis? Ein Phänomen am Rande. Schorlau nimmt den Staat ins Visier, weil er originell sein will. Das aber hilft bei der Suche nach Wahrheit nicht.

(los)
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