"Willkommen bei den Hartmanns" Endlich lacht Deutschland über sich selbst

Die Flüchtlingskomödie "Willkommen bei den Hartmanns" ist der Erfolg des Herbstes. Sie strotzt vor Klischees - und funktioniert bestens.

Natürlich ist es an der Zeit für diese Komödie: Eine vernachlässigte Münchner Arztgattin verordnet ihrer Familie eine erhöhte Dosis Willkommenskultur, um das emotionale Vakuum in ihrem Leben zu füllen: Die Hartmanns nehmen einen Flüchtling aus Nigeria auf. Er bekommt ein Zimmer im Keller der Hortensien umflorten Vorstadt-Villa, und bald gerät die ohnehin schon fragile Statik der Familie aus dem Lot. Turbulenzen, Tränen, Versöhnungen - und schließlich das Urteil in einem Asylverfahren.

Eine deutsche Wohlfühlkomödie mit abendsonnigen Bildern wie man sie aus Schweighöfer/Schweiger-Filmen kennt über ein Thema, das die Republik spaltet, Menschen polarisiert, Populisten auf den Plan ruft. Natürlich wirft das die Frage auf, wie viel Pointen die Flüchtlingsdebatte verträgt. Wie viel Zuspitzung, Vereinfachung, Klischees man einem sensiblen Thema zumuten darf, um ihm Lacher zu entlocken. Derweil haben die Zuschauer schon entschieden: Die Komödie ist dabei, Rekorde zu brechen. Innerhalb von nur zehn Tagen überschritt der Film die Marke von einer Million Zuschauer, war am zweiten Wochenende sogar noch erfolgreicher als beim Start. Der Film wird also weiterempfohlen und eifert nun Komödien wie "Ziemlich beste Freunde", "Willkommen bei den Sch'tis" und "Fuck ju Göhte" nach.

Man kann allerhand vorbringen gegen diese "Hartmanns" von Regisseur Simon Verhoeven, der schon mit der Besetzung auf ein Massenpublikum zielt. Neben seiner großartig aufspielenden Mutter, Senta Berger, sind Publikumslieblinge wie Heiner Lauterbach, Florian David Fitz, Palina Rojinski und Elyas M'Barek zu erleben. Lauter herzlich überzeichnete Figuren, die mit dem Leben wie der Liebe im Gegenwartsdeutschland ringen. Nur der afrikanische Flüchtling Diallo, gespielt von dem belgischen Musiker und Schauspieler Eric Kabongo, ist im Grunde nur der Kummerkasten. Sein Schicksal als Verfolgter der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram wird in einer kurzen Herz-Schmerz-Szene vor einer Schulklasse abgeladen wie Ballast, für den man sich eigentlich nicht interessiert. Ansonsten ist Diallo der naive Fremde, bei dem alle Mitglieder der Familie ihr Herz ausschütten, während er im Garten Vogelhäuschen schnitzt, die Blumenbeete harkt und auf seinen Asylbescheid wartet. Der wird erst abgelehnt, dann darf Diallo doch bleiben, und bei der finalen Gartenparty gibt es deutsches Bier für alle - also auch für den Moslem mit der dunklen Haut.

Natürlich hat diese Vereinnahmung mit geglückter Integration wenig zu tun. Auch hat die Filmkritik richtig bemerkt, dass Diallo in der Geschichte nicht mal einen Nachnamen bekommt und auf den Werbeplakaten neben den deutschen Stars nicht erwähnt wurde.

Man kann der Komödie also vorhalten, sie vergebe die Chance, eine spannende Flüchtlingsfigur zu entwickeln und eine Geschichte zu erzählen, in der Integration nicht bedeutet, dass ein Moslem seine Glaubenssätze verrät. Doch ist das ungefähr so sinnvoll, wie in "Fuck ju Göhte" nach einer Diagnose zum deutschen Bildungssystem zu suchen. Komödien sind keine politischen Nachhilfestunden. Sie setzen etwas dem Lachen aus. Etwas, das untergründig rumort, das verdrängt oder beschönigt wird. Im besten Falle ist das Lachen darüber befreiend. Die Frage also ist, worüber die Menschen sich diesmal amüsieren.

Und da liegt das Missverständnis gegenüber dem ersten deutschen Versuch, die Flüchtlingsdebatte in eine Gesellschaftssatire zu verwandeln: "Willkommen bei den Hartmanns" ist keine Komödie über einen Flüchtling, sondern über die Deutschen, die sich in ihrer Hilfsbereitschaft gefallen und trotz Multikulti-Lebensstils erst noch lernen müssen, Differenzen auszuhalten. Es ist eine Komödie über jene, die helfen wollen, aber bloß die Klamotten spenden, die eh in den Container sollten, die es gut meinen, aber doch vor allem ihr schlechtes Gewissen loswerden wollen angesichts des Wohlstands, auf den sie nicht verzichten mögen. Diallo ist ihnen nur Mittel zum Zweck, darum ist er auch in dieser Komödie nur Mittel zum Zweck - darin liegt die böse, die entlarvende Wahrheit dieses Films.

Und das ist auch in Flüchtlings-Tragikomödien so, die in anderen Ländern produziert werden. Die Franzosen etwa brachten schon 2014 die Geschichte von "Samba" ins Kino, der aus Mali nach Frankreich flieht und dort an eine Helferin gerät, die an Burn-out leidet. Existenzielle trifft auf psychische Not. Das geriet mehr rührend als komisch, obwohl die Macher von "Ziemlich beste Freunde" Regie führten und erneut mit Hauptdarsteller Omar Sy arbeiteten. Auch in dieser Geschichte ist der Flüchtling die Figur, die Entwicklungen beschleunigt, die Menschen in der Ankunftsgesellschaft herausfordert, ihre eigene Haltung zum Leben zu überdenken. Obwohl "Samba" als Mann ohne Papiere in Paris prekärer und damit dringlicher dargestellt wird als der schlichte Diallo, sind beide nur da, um etwas über die Gesellschaft auszusagen, in der sie ankommen.

So ist es auch in der norwegischen Variante "Welcome to Norway", die gerade in den deutschen Kinos lief. Der Film ist rauer, böser als die Hartmanns, ist nicht in diese honiggelbe Ästhetik getunkt, ohne die deutsche Komödien seit Til Schweiger nicht mehr auszukommen scheinen. Doch auch in diesem Film geht es letztlich um einen Norweger, einen gescheiterten Geschäftsmann, der sich an den Asylsuchenden bereichern will und seine Läuterung erlebt.

Die aktuellen Flüchtlings-Komödien sind also im Kern Gesellschaftssatiren über das bestehende soziale Gefüge, die sich nur an einem neuen Thema entzünden. Noch zielen sie nicht auf die wirklichen Ängste etwa vor kultureller Differenz oder der Konkurrenz um soziale Ressourcen wie Wohnung, Arbeit, Bildung. Natürlich wäre auch das möglich, in radikaleren, bissigeren, wirklich schmerzhaften Komödien. In Satiren mit weniger kommerziellem Kalkül. Verhoeven aber hat sich für Mainstream entschieden. Er zielt auf ein breites, deutsches Publikum - und das hat durchaus etwas Befreiendes, weil es in stark polarisierten Zeiten dazu einlädt, die Verbissenheiten auf allen Seiten zu betrachten. Das ist nicht erkenntnisfördernd, aber versöhnlich. Und kommt darum gerade recht.

Mainstream-Komödien über die Flüchtlingsfrage beziehen ihren Witz aus dem Aufeinanderprallen von Anspruch und Wirklichkeit, von Gutmenschenrhetorik und gelebter Intoleranz. Und natürlich ist nichts komischer als Egoismus getarnt als guter Wille. Nichts lächerlicher als Heuchelei. Darauf kann man sich einigen. Und wenn das in der perfekten Kulisse einer Münchner Villa durchdekliniert wird, wie es Verhoeven mit viel Gespür für Typenkomik tut, dann ist das auf sehr deutsche Art auch bissig.

"Willkommen bei den Hartmanns" ist geschmeidig inszeniert mit schönen Bildern, flotten Dialogen. Doch anders als etwa bei Til Schweiger ist das bei Verhoeven nicht nur Selbstzweck. Es geht ja gerade um die Wohlstandsbürger, denen es an nichts fehlt, und die trotzdem schon morgens Weißwein schlürfen wie Frau Hartmann, weil da so wenig Wahrhaftigkeit im Leben zurückgeblieben ist. Wenn sie zu Beginn des Films ein Mäuslein vor dem Zugriff ihres Katers retten will, dabei von ihrem Mann verspottet wird, der sich später Botox unter die Runzeln spritzen lässt, um in das Münchner Nachtleben abzutauchen, dann ist das sehr hilflos und traurig und ziemlich komisch.

"In Willkommen bei den Hartmanns" können sich alle noch einmal über eine gutbürgerliche Familie amüsieren, über den satten deutschen Mittelstand, der längst unter Druck geraten ist. Trotz des aktuellen Themas ist die Komödie also zutiefst nostalgisch. Bei den Hartmanns ist alles noch mal wie früher, nur einer mehr am Tisch. Natürlich ist das nicht subversiv, sondern beruhigend. Und macht wohl auch deswegen vielen so viel Spaß.

(dok)
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