Düsseldorf Eine wunderbare zweite Halbzeit

Düsseldorf · Der Pianist András Schiff trat beim Schumannfest in Düsseldorfs Tonhalle auf.

 Der Pianist András Schiff.

Der Pianist András Schiff.

Foto: Diesner

Wir kennen das ja von hochrangigen Fußballmannschaften (etwa aus der Slowakei), dass ein Team eine Halbzeit zuweilen fast komplett verpennt, dann jedoch eine furiose Aufholjagd startet und am Ende mit Glanz und Gloria gewinnt. So ähnlich müssen wir uns den Klavierabend des wunderbaren ungarischen Pianisten András Schiff beim Schumannfest in der Düsseldorfer Tonhalle vorstellen.

Schiff wollte uns auf eine Reise durch Klassik und Romantik mitnehmen, begann mit Mozart ("Sonata facile"), verlängerte mit Beethovens E-Dur-Sonate und Schumanns C-Dur-Fantasie, um nach der Pause Schuberts späte c-Moll-Sonate als Fluchtpunkt der Gefühle zwischen Grimm, Majestät und Innerlichkeit auszuweisen. Doch zunächst klemmte es beim Meister. Der Beethoven wirkte milchig, wie ein unbestelltes Aquarell, obgleich Schiff das Werk natürlich immer noch besser spielte als 99,98 Prozent der Klavierbevölkerung. Doch auch die Schumann-Fantasie kränkelte ein wenig, und in ihrem Mittelteil befand sich Schiff sogar in einem Nahkampf mit dem Notentext, den er nicht immer gewann.

Nach der Pause trat Schiff wie verwandelt hervor, bündelte seine Kräfte und stürzte sich in die Schubert-Sonate, als dürste er nach öffentlicher Rehabilitation. Sie gelang ihm einzigartig. Sein bisweilen etwas depressives Klavierspiel im ersten Teil verwandelte sich in eine Angriffslust, mit der er das Glühende der Musik gleichwohl nicht an ihren Rändern suchte, sondern in ihrem Kern entdeckte. So wirkte diese Sonate gleichzeitig getrieben und doch wie von sich selbst erfüllt. Das spielen auch die restlichen 0,02 Prozent der Klavierbevölkerung nicht reifer und schöner.

Und damit in seiner persönlichen Bilanz dieses Klavierabends aber auch wirklich alles gut wurde, gab András Schiff als Zugabe die komplette As-Dur-Sonate op. 110 von Beethoven. Hernach erhob sich das Publikum einträchtig, um dem Künstler dankbar zu huldigen und dann - die Zeit war deutlich vorgerückt und das Programm nicht eben anspruchslos gewesen - im Zustand glücklicher Ermattung die Heimfahrt anzutreten.

(w.g.)
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