Donna Leons tödlicher Rosenkavalier

Venedigs Kultautorin entführt ihren Commissario Brunetti in "Endlich mein" mal wieder in die Oper.

Die Rückkehr von Gesangs-Diva Flavia Petrelli nach Venedig gleicht einem Triumph. Das Opernhaus La Fenice: jeden Abend ausverkauft. Tatsächlich scheint Flavia die Titelrolle der "Tosca" auf den Leib geschneidert, und wenn sie beim dramatischen Finale sich über ihre Widersacher erhebt und selbstbewusst in den Tod flieht, sind ihr stehende Ovationen gewiss.

Doch in die Freude über die Liebe der Opernfans mischen sich neuerdings Nervosität und Angst. Eigentlich hat sie gelernt, mit Ruhm und Rummel umzugehen und auch noch zu lächeln und Autogramme zu schreiben, wenn sie todmüde ist. Aber seit es jeden Abend beim Schlussapplaus gelbe Rosen regnet und ein unbekannter Verehrer ihre Garderobe in ein Blumenmeer verwandelt, ist ihr doch etwas mulmig zumute. Wer ist dieser Rosenkavalier, warum gibt er sich nicht zu erkennen?

Schon zweimal - im "Venezianischen Finale" und in "Acqua Alta" - hat Commissario Brunetti das Vergnügen gehabt, sich um Flavia Petrelli zu kümmern und Schaden von ihr abzuwenden. Das ist lange her, aber unvergessen: Vor allem nicht von der Opern-Kennerin und Schriftstellerin Donna Leon, die verschiedene Barock-Ensembles finanziell unterstützt, als Händel-Spezialistin einen guten Ruf genießt und sich weltweit auf dem Opern-Parkett tummelt. Wenn sie für ihren nunmehr 24. Brunetti-Krimi die lange vermisste Opern-Diva reaktiviert und zu einem Gastspiel nach Venedig einlädt, gibt es mithin nicht nur Wiedersehensfreude und opulente Opernfeste, sondern auch einen Kriminalfall. Denn was so harmlos mit gelben Rosen beginnt, da ist sich Brunetti gleich beim ersten Treffen mit der angespannt wirkenden Flavia ziemlich sicher, könnte blutig enden. Werden die Liebes-Bekundungen des Stalkers nicht erwidert, könnten sie schnell in Hass umschlagen und könnte aus dem unbekannten auch ein tödlicher Rosenkavalier werden. Oder ist der psychotische Fan, der anonym im Dunkeln agiert und beginnt, Flavias Bekannte als unerwünschte Nebenbuhler zu betrachten und zu attackieren, gar eine Frau?

Nach dem einen oder anderen eher langweiligen Brunetti-Roman ist die seit vielen Jahren in Venedig lebende US-Autorin Donna Leon diesmal wieder in Hochform. Man spürt auf jeder Buchseite, welch Spaß es ihr bereitet, über Schönheit und Abgründe der Opernwelt zu philosophieren.

Und wie traurig es sie macht, dass Venedig zur bunten Kulisse für unaufhörliche Touristenströme geworden ist: Wo einst kleine Läden und Bars ihren morbiden Charme hatten, haben sich längst billige Ramschläden breitgemacht. Flavia Petrelli erkennt ihr geliebtes Venedig kaum wieder.

Der sympathische Melancholiker Guido Brunetti und seine wie immer kultivierte und belesene Gattin Paola schütteln nur noch angewidert den Kopf und verschanzen sich bei einem Glas Wein und einem klugen Gespräch über Musik und Literatur auf ihrer Dachterrasse. Doch dann muss Brunetti wieder rein ins reale Leben. Denn die Liste der Opfer wird immer länger.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch Flavia zu Tode geliebt wird. Brunetti, von einigen polizeiinternen Intrigen kurzzeitig abgelenkt, braucht jetzt viel Feingefühl und die Hilfe seiner Computer-Fachfrau Signorina Elettra. Dass es schließlich zu einem äußerst spannenden Showdown in der Oper von Venedig und im Bühnenbild von "Tosca" kommt, hätte man sich denken können.

(RP)
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