London Sir Neville Marriner ist 92-jährig gestorben

London · Er war nicht nur der dienstälteste, sondern auch einer der weisesten unter den großen Dirigenten. Sir Neville Marriner hat alles gemacht, alles gesehen, er besaß einen weiten Horizont und blieb doch dem Kernrepertoire zwischen Bach und Bruckner verhaftet. Deren Meisterwerke empfand er als einen heiligen Auftrag, dem er sich mit einer Hingabe stellte, die beispielhaft war. Mit seiner Academy of St. Martin in the Fields sondierte er etwa die großen Sinfonien so oft, dass er manche Komposition besser kannte als ihr Schöpfer.

Dirigent Sir Neville Marriner stirbt mit 92 Jahren
Foto: dpa, bsc kno

Das hatte viel mit guter Vorbereitung zu tun: Als ich ihn im vergangenen Jahr daheim in Südengland besuchte, zog er sich nach einem langen und herzlichen Gespräch irgendwann zurück, denn er musste sich noch eine Brahms-Sinfonie anschauen, die er einige Wochen später in London zu dirigieren hatte. Dabei hatte er sie bereits gefühlte 400 Mal vorher aufgeführt.

Seine Art des Musizierens hatte etwas Verbindliches, Zügiges und Unsentimentales. Mit seinen modernen Instrumenten kam er dem Geist der historischen Aufführungspraxis sehr nahe. Das hatte auch damit zu tun, dass er vor der Gründung seiner Academy als Geiger in mehreren großen Londoner Orchestern gespielt hatte.

Demnächst hätte Marriner in Düsseldorf Mozarts c-Moll-Messe dirigieren sollen. Dazu wird es nun leider nicht mehr kommen, gestern ist Sir Neville im Alter von 92 Jahren gestorben. Wolfram Goertz

(RP)
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