Berlin Die vielen Gesichter der Cate Blanchett

Berlin · Cate Blanchett adelt Julian Rosefeldts Video-Installation "Manifesto" im Hamburger Bahnhof von Berlin.

Die Anzahl ihrer Oscar-Nominierungen ist groß, und zweimal schon hat sie die begehrte Trophäe tatsächlich erhalten. Einmal für ihre Darstellung der Katharine Hepburn in Martin Scorseses "Aviator", ein anderes mal für ihre Mitwirkung in Woody Allens "Blue Jasmine". In diesen Tagen steht sie für die Titelrolle in der Patricia-Highsmith-Verfilmung von "Carol" ganz oben auf der Kandidaten-Liste.

Die 1969 in Melbourne geborene Cate Blanchett gehört zu den ganz großen Schauspielerinnen der Gegenwart. Wie wandelbar und experimentierfreudig die australische Diva ist, die allein durch ihre Präsenz jedes Kunstprojekt adelt, zeigt sich jetzt in einer Aufsehen erregenden Video-Installation im Hamburger Bahnhof, dem Museum für Gegenwart in Berlin.

"Manifesto" heißt die filmische Choreographie des 1965 in München geborenen und heute in Berlin lebenden Julian Rosefeldt, bei der Cate Blanchett in zwölf völlig verschiedenen Rollen auftritt.

Auf unzähligen Leinwänden flimmern zehnminütige Projektionen, vermengen und vermischen, überlagern und widersprechen sich Thesen und Themen politischer und künstlerischer Manifeste.

Gesprochen und gespielt werden die verblüffend aktuellen Text-Passagen der notorischen Weltverbesserer und Kunstzertrümmerer von Cate Blanchett: Sie kommt mal als bärtiger Obdachloser daher, mal als schnieke Börsenmaklerin, sie ist Arbeiterin in einer Müllverbrennungsanlage und eine tätowierte Punkerin, Puppenspielerin und Trauerrednerin, Reporterin und Lehrerin, sie ist immer wieder anders und bringt die von Julian Rosefeldt gebaute Text- und inszenierte Bild-Collage zum Klingen und demonstriert eindringlich, wie Worte zu Handlungen werden und die Welt verändern.

Ausgangspunkt allen Aufbegehrens ist das "Kommunistische Manifest" von Karl Marx und Friedrich Engels, das mit den Worten beginnt: "Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst des Kommunismus." Dann kommen all die ästhetisch aufmüpfigen Manifeste zu Wort: Filippo Tommaso Marinetti (Futurismus), Kasimir Malewitsch (Konstruktivismus), Tristan Tzara (Dadaismus), André Breton (Surrealismus), die März-Fantasien von Kurt Schwitters, Claes Oldenburgs Plädoyer für die Pop Art, Sol LeWitt und seine Vision der Konzeptkunst, Lars von Trier und sein filmisches Dogma: überall werden programmatische Statements frech kombiniert, provokativ bebildert und von Cate Blanchett zu einer Sinfonie des Aufstands orchestriert.

Das ebenso poetische wie philosophische, auf jeden Fall sehenswerte Video-Projekt verdankt sich erstaunlicherweise einem Zufall: Bei der Vernissage eines gemeinsamen Bekannten kamen Rosefeldt und Blanchett ins Plaudern, fanden Interesse aneinander, verabredeten locker eine gemeinsame Arbeit.

Als Cate Blanchett dann für die Dreharbeiten von "Monuments Men" für einige Zeit in der deutschen Hauptstadt weilte, ging es schnell und intensiv zur Sache. In wenigen Tagen wurde "Manifesto" in einem "rauschhaften Zustand" (Rosefeldt) realisiert. "Ich glaube an die künftige Auflösung der beiden äußerlich so widersprüchlichen Zustände - Traum und Wirklichkeit", hatte André Breton in seiner surrealistischen Weltformel fantasiert. Wenn Cate Blanchett das sagt, glaubt man es sofort.

(RP)
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