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Salzburg Die Netrebkos geben sich die Ehre

Salzburg · Bei den Salzburger Festspielen wird Giacomo Puccinis Oper "Manon Lescaut" in einer konzertanten Aufführung geboten. In den Hauptrollen singen Anna Netrebko und ihr neuer Gatte, der Tenor Yusif Eyvazov.

Dieser Tage bestieg eine unauffällige Kleinfamilie eine Pferdekutsche in Salzburg. Mann, Frau, Kind, alle hinter Sonnenbrillen wegen der Sonne, in legerer Kleidung und mit Smartphones, um die Kulissen der Mozartstadt zu fotografieren. Man konnte sie für Allerweltstouristen halten. Aber sie waren es nicht. Sie fuhren auch am Festspielhaus vorbei, und weil hier viele Fotografen in der Hoffnung campieren, dass sich ein Star blicken lässt, blieb die Anonymität der Familie nicht lange gewahrt. Es ging dann herum wie ein Lauffeuer: In dem Fiaker saß die Hochpreis-Künstlerin und Sopranistin Anna Netrebko. In weiteren Kutschenrollen: ihr Ehemann, der aserbaidschanische Tenor Yusif Eyvazov, und Tiago, Netrebkos Sohn aus der Beziehung mit dem uruguayischen Bassbariton Erwin Schrott.

Und schon schossen die Fotografen heran, was das Zeug hielt, und Eyvazov, der die persönliche Vermarktung nötiger hat als seine Gemahlin, winkte euphorisch zurück. Es sind für ihn die ersten Festspiele in Salzburg als Ehemann und Künstler zugleich, denn er darf hier auf der Bühne neben ihr auftreten. Unter Salzburggästen heißen sie nur "die Netrebkos". Es gibt Puccinis Oper "Manon Lescaut" in einer konzertanten Aufführung, die teuersten Karten kosten 420 Euro; die weiteren Solisten sind Namenlose, es singt der Wiener Staatsopernchor, es spielt das Münchner Rundfunkorchester unter Marco Armiliato.

Doch vorher müssen Mann und Frau immer wieder zu den Proben, und während sich andere Künstler in Limousinen mit getönten Fenstern kutschieren lassen, ziehen Netrebko und Eyvazov das Bad in der Menge vor. Am Tag nach der Kutschfahrt wurden sie per pedes erwischt, sie trug ein blauweiß gestreiftes Kleid und einen gigantischen hellen Hut, er ließ sich, farblich abgestimmt, in blau-schwarzer Designerkluft von Philipp Plein sehen, wobei das T-Shirt einen Totenkopf zeigte, den Haie umkreisen.

Exzellente Motivwahl: Eyvazov geht in Salzburg eindeutig auf Angriff. Er will den Schrott vergessen machen, der hier Anhänger besitzt. Das könnte gelingen, denn Eyvazov gehört der Stimmgruppe der Tenöre an, und die gelten als die Haie, die zur Eroberung unschuldiger junger Damen ausschwärmen, die in der Oper mehrheitlich dem Sopranfach angehören. Netrebko und Eyvazov sind also beruflich, stimmlich und menschlich ein Traumpaar; diese Idealsituation wurde schon bei der Hochzeit am 29. Dezember 2015 in Wien angemessen gewürdigt: Bei einem Barockfeuerwerk am Palais Liechtenstein kamen "2250 Effektschüsse, 200 Lichterlanzen, 40 Feuertöpfe und 30 Feuerwerks-Vulkane" zum Einsatz, wie die Böllerexperten von www.absolutpyro.at zu berichten wussten.

Eyvazov zeigt schon in seinem ersten Takt, dass er diese Dimensionen übertreffen möchte. Seine Devise ist Kraft durch Lautstärke. Nun gibt er die Rolle des Des Grieux, eines jener grenzwertig intelligenten Tenormachos, die einer Frau bei der ersten Begegnung verfallen und dann vier Akte lang bedingungslos nachrennen. So etwas gibt es doch gar nicht, denkt man, doch Eyvazov beweist uns das Gegenteil. Er buhlt immerzu um die Liebe und hat dabei Schmelz in der Stimme, doch leider gibt er auch dauernd Vollgas. Seine Stimme trägt das, sie leidet nicht, aber unsereinen ermüdet dieses Dauerforte. Seine hohen Töne sind die Enterhaken, die sich in unser Trommelfell und ins Herz von Manon bohren sollen, die soeben unter atemloser Stille des Publikums die Bühne betreten hat.

Sie trägt ein nachtblaues Kleid mit Diamanten, und kaum macht sie ihren Mund auf, ist das Festspielhaus wie verzaubert, denn es ist immer noch und stets aufs Neue alles wunderbar mit dieser Stimme. Sie sitzt, wie Gesangsfachleute sagen, ganz vorn, sie hat mehr Fülle denn je, ihr Timbre ist unverwechselbar, es besitzt auch eine unendliche Weichheit, die Stimme spricht perfekt an, ist in der Höhe angemessen mattiert und nie scharf, ihre Mittellage bricht nicht weg. Sie kann also ungeniert aus voller Brust singen, und da kommt nicht wenig. Aber sie singt auch so intelligent, dass es an nichts, aber auch gar nichts mangelt.

Es tritt also die pikante Situation ein, dass Eheleute auf der Bühne so tun, als seien sie frisch verliebt und müssten alle Stürme der Welt entfesseln. Vielleicht ist das bei den Netrebkos wirklich so, und wir wohnen in "Manon" einer wundervollen Übereinstimmung von Kunst und Leben bei. Diese Liebe hörte nimmer auf an diesem Abend zwischen Paris und Nordamerika, wohin Manon verbannt wird; Des Grieux will natürlich mit aufs Schiff, von wegen unendlicher Liebe und so.

Wir wünschen den beiden alles Glück und keine Wüste, in der sie verdursten. Der Jubel des Auditoriums begleitet diese Wünsche mit imposanter Länge und Heftigkeit.

(w.g.)
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