Olivia de Havilland Die Göttin, die von der Leinwand stieg

Düsseldorf · Olivia de Havilland war der große Kinostar ihrer Zeit. Dann flüchtete sie aus Hollywood ins Familienleben. Nun wird sie 100 Jahre alt.

Manchmal hat man das, dann fällt ein berühmter Name, und alle in der Runde nicken; großes Einverständnis, jaja: tolle Frau. Bei Olivia de Havilland ist das so, fast jeder kennt sie aus dem Film "Vom Winde verweht" (1939), darin war sie die Melanie Hamilton. Einen späten Auftritt hatte sie als Krankenschwester im Südstaaten-TV-Epos "Fackeln im Sturm" (1985), und dazwischen ereignete sich so viel Leben, dass man mehrere Biografien damit füllen könnte. Die zweifache Oscar-Gewinnerin ist die letzte Überlebende aus Hollywoods goldener Ära. Am 1. Juli feiert sie ihren 100. Geburtstag, und dass man noch keinen Film über diese glamouröse und widerständige Künstlerin gedreht hat, liegt womöglich daran, dass alle Welt auf ihre Memoiren wartet, an denen sie angeblich schreibt - sie bergen das Versprechen auf großes Drama.

Da war der legendäre Zwist mit der 15 Monate jüngeren Schwester Joan Fontaine, ebenfalls eine berühmte Schauspielerin. Beide wurden in Tokio geboren, der englische Vater arbeitete dort als Patentanwalt. Als die Eltern sich trennten, gingen Olivia und Joan mit der Mutter nach Kalifornien. 1942 waren beide für den Oscar nominiert, die Klatschblätter kannten kein anderes Thema, und als schließlich Joan für ihre Rolle in Hitchcocks "Verdacht" gewann, gratulierte Olivia nicht. Joan revanchierte sich, als sie nach Olivias Oscar-Sieg fünf Jahre später über den ersten Ehemann der Schwester befragt wurde: "Alles, was ich über ihn weiß, ist, dass er vier Frauen hatte und ein Buch schrieb. Leider ist es nicht umgekehrt." 1978 veröffentlichte Joan dann eine Biografie, in der es viele ähnlich charmante Stellen gibt. Danach sollen die Schwestern bis zu Joans Tod 2013 ungern gemeinsam im selben Raum gestanden haben.

Olivia de Havilland wurde von Max Reinhardt entdeckt, sie spielte 1935 die Hermia in seinem "Sommernachtstraum", und direkt danach nahm Studioboss Jack Warner sie unter Vertrag. Mit 22 war sie ein Weltstar, Hollywoods Sweetheart, und der Grund waren die acht Filme, die sie mit Errol Flynn gedreht hat. Der populärste ist "Robin Hood" (1938): der sieben Jahre ältere Flynn als König der Vagabunden, sie als Lady Marian.

Es gibt kaum einen Vergleich aus unserer Zeit für den Erfolg von Olivia de Havilland. Sie wurde fünf Mal für den Oscar nominiert und gewann ihn für "Mutterherz" 1947 und "Die Erbin" 1950. Sie hatte Affären mit James Stewart, Howard Hughes und John Huston, und als John F. Kennedy um eine Verabredung bat, lehnte sie ab: "Keine Zeit, ich muss proben." Sie besaß ein Flugzeug und flog selbst (ihr Cousin gründete die Fluggesellschaft De Havilland Aircraft), sie behängte sich großzügig mit Juwelen, spielte neben Greta Garbo und hatte Bette Davis zur besten Freundin. Man besetzte sie vor allem als patente Alleskönnerin, das war das Bild, das die Öffentlichkeit von ihr hatte. Sie strahlte, alles lief traumhaft gut - so schien es zumindest.

In einem Interview, das de Havilland jüngst dem Magazin "Vanity Fair" gab, berichtet sie indes auch von psychischen Problemen, von Magersucht, dem enormen Druck. 1940 wurde sie für "Vom Winde verweht" für den Oscar nominiert, aber auf der Gala ging sie leer aus, und noch zwei Wochen danach habe sie betäubt dagelegen und sich nicht bewegen können, so groß sei die Enttäuschung gewesen. "Es gibt keinen Gott", habe sie vor sich hingemurmelt. Damals sei etwas in ihr zerbrochen, sie habe Hollywood zu verachten begonnen - auch dafür, dass es einen so oberflächlichen Menschen aus ihr gemacht habe.

Sie war bei Warner vertraglich gebunden, aber sie wollte auch andere Angebote annehmen, andere Frauenfiguren spielen, und deshalb klagte sie 1944 gegen die damals üblichen Knebelverträge. Das war neu, offene Rebellion, Skandal. Man verhängte ein dreijähriges Berufsverbot, Jack Warner drohte, ihre Karriere zu zerstören, aber schließlich gewann de Havilland, und noch heute profitieren ihre Kollegen vom "De Havilland Law", wonach Studios ihre Stars nicht mehr auf mehr als sieben Jahre binden dürfen.

1955 die Sensation: De Havilland verließ Hollywood und zog nach Paris. Sie fiel gewissermaßen aus der Rolle. Sie war kurz zuvor beim Filmfest in Cannes gewesen, dort hatte Pierre Galante, Chefredakteur der Zeitschrift "Paris Match", sie aus Orly abgeholt, jener Mann, der später Grace Kelly und Fürst Rainier zusammenbringen würde. Galante nahm im Taxi vom Flughafen de Havillands Hand und machte seinem Namen alle Ehre, und sie fand das toll und schmolz dahin. Die beiden heirateten, in Interviews schwärmte de Havilland fortan von Voltaire und Rodin und verfluchte Eisenhower. In Frankreich wolle sie "echt werden", endlich sie selbst sein, sagte sie. Und in Hollywood zischte man: "Auf Nimmerwiedersehen." Denn es gilt das eherne Gesetz: Wer die Traumfabrik verlässt, kehrt nie zurück. Auch Grace Kelly sollte das zu spüren bekommen.

De Havilland heiratete und bekam Kinder, sie stieg von der Leinwand, sie tauschte den Traum vieler gegen das Leben der Anderen. Ab und an spielte sie als Gast in Kino und TV. Sie beendete eine der größten Karrieren des Weltkinos der Liebe wegen, und obwohl diese Ehe schließlich geschieden wurde, blieb de Havilland in Frankreich. Heute lebt sie in Paris in einem Stadthaus aus dem Jahr 1880, Valéry Giscard d'Estaing ist ihr Nachbar. Sie gab die US-Staatsbürgerschaft nie auf, und in der amerikanischen Kathedrale von Paris liest sie zu Weihnachten und Ostern aus der Bibel vor, was jeweils ein Ereignis ist.

Licht, Lachen und Liebe seien das Wichtigste, sagt sie. Man solle sich nicht alles gefallen lassen und mutig sein. Und weil sie offensichtlich glücklich ist, möchte man ihr Gesundheit wünschen und dass alles gut bleibt. Und falls man sich selbst auch etwas wünschen dürfte, dann dieses: die Memoiren. Unbedingt, gerne detailreich und bitte schnell.

(hols)
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