Verona/Düsseldorf Die Gesetze des grauen Kunstmarktes

Verona/Düsseldorf · In kriminellen Milieus hat sich ein Markt für gestohlene Kunst etabliert. Jeder Fall liegt anders.

Wieder einmal haben Unbekannte kostbare Werke berühmter Künstler aus einem Museum geraubt, diesmal aus dem Castelvecchio in Verona. Und wieder stellt sich die Frage: Wie wollen sie die Bilder zu Geld machen? Denn die 17 Gemälde im Wert von bis zu 15 Millionen Euro unter anderem von Rubens, Tintoretto und Mantegna sind zumindest auf dem allgemeinen Kunstmarkt unverkäuflich. Seit 1991, als Auktionshäuser, Verbände des Kunsthandels, Vertreter der Versicherungswirtschaft und die Stiftung "International Foundation for Art Research" das "Art-Loss-Register" gründeten, kann sich jeder Händler im Internet kundig machen, ob ein Bild, das ihm angeboten wird, gestohlen ist.

Die Technik ermöglicht zwar manches, aber auch die Kunsträuber gehen mit der Zeit. Denn es gibt ja nicht nur einen offiziellen Kunstmarkt, denjenigen, der sich aus angesehenen Händlern, Kunstmessen und Käufern zusammensetzt, sondern auch einen grauen Markt. Vor allem der "Islamische Staat" schärfte zuletzt das Bewusstsein für diese Schattenwirtschaft: Er verscherbelt Skulpturen seiner antiken Vorvergangenheit vorzugsweise in Europa. Was zu groß für den Export ist, wird medienwirksam zerdeppert.

Der graue, vielfach schon eher schwarze Markt etabliert sich vor allem in kriminellen Milieus. Fahnder in aller Welt berichten übereinstimmend, dass Bilder und Objekte auf diesem Markt nur für zehn Prozent ihres eigentlichen Wertes den Besitzer wechseln oder gegen Drogen und Waffen getauscht werden. Oft bleiben sie 20, 30 Jahre verschwunden und gelangen womöglich nur durch eine Drogenrazzia wieder ans Tageslicht. Zehn Prozent des eigentlichen Wertes - das erscheint wenig, doch im Falle von Verona sind das immerhin 1,5 Millionen Euro. Zudem verbindet mancher mit dem illegalen Kauf die Hoffnung, dass in Jahrzehnten Gras über die Sache gewachsen ist und man mit den kostbaren Kunstwerken zumindest innerhalb des eigenen Milieus Eindruck schinden kann. In diesem Zusammenhang wird immer wieder Osteuropa genannt.

Jeder Fall liegt anders. Manche Banden haben es auf Lösegeld abgesehen. Innerhalb ihres "Art Napping" wollen sie das bestohlene Museum oder die Versicherung der Werke erpressen. Sie drohen mit der Zerstörung der Schätze. Doch Versicherungen, so heißt es, gehen darauf nur selten ein, weil sie keine Anreize für Nachahmer setzen wollen. Für die Versicherungen lohnt es sich wirtschaftlich nur dann, Lösegeld zu zahlen, wenn die Lösegeldsumme niedriger ist als der Versicherungswert. Man sieht: Eigennutz wiegt hier mehr als das Ziel, Kulturgut für die Gesellschaft zu retten. Und wenn ein solcher Handel zustande kommt, schweigen darüber üblicherweise sowohl die Eigentümer als auch die Versicherung. Ohnehin sind dabei die Strafverfolgungsbehörden meist ausgeschlossen.

Die Tate Gallery in London ließ es sich dagegen ganz unverhohlen umgerechnet fünf Millionen Euro kosten, wieder in den Besitz zweier gestohlener Gemälde von William Turner zu gelangen. Wer weiß: Vielleicht wird das Problem dereinst auch in Verona auf diese diskrete Weise gelöst. Das kann dauern.

(B.M.)
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