Roman Die Bar als Begegnungszentrum

Der neue Roman des Schweizers Alex Capus plädiert: "Das Leben ist gut".

"Hefeweizen ist wichtiger als Literatur", sagt Alex Capus, wenn er mal wieder nach dem Stellenwert gefragt wird, den das Schreiben in seinem Leben einnimmt. Und er muss es wissen. Ist der Schweizer doch nicht nur Schriftsteller, sondern in seiner Heimatstadt Olten auch Besitzer der Galicia Bar. "Freundschaft und Liebe brauchen einen realen Ort, an dem sie sich entfalten können." Davon ist er überzeugt.

Man kann davon ausgehen, dass ein gutes Stück von Capus selbst in Max aus seinem neuen Roman "Das Leben ist gut" steckt. Der ist ebenfalls Schriftsteller und Wirt. Auch, wenn die Kneipe im Buch Sevilla Bar heißt und nur von einer "Kleinstadt", nicht von Olten, die Rede ist. Weil Max lange schon die "Schlichtheit des Belanglosen" nicht mehr von der "Einfachheit des Schönen" unterscheiden kann, tut er sich schwer mit dem Schreiben. Es gibt ja eh schon viel zu viele Bücher. Und mit Literatur erreicht er ohnehin nur die Gleichgesinnten. "Das ist, als würde ich wie ein Idiot mit mir selbst reden. Da zapfe ich doch lieber Bier. Damit erreiche ich jeden." Also kaufte Max vor ein paar Jahren das ehemalige Vereinslokal der spanischen Gastarbeiter und steht seitdem hinter der Theke. "Es darf nicht sein, dass wir unsere gesamte Lebenszeit in keimfreien Büros und keimfreien Fitnessstudios, keimfreien S-Bahnen und keimfreien Wohnzellen zubringen, und es darf nicht so weit kommen, dass die Menschen einander nur noch im Internet begegnen. Ohne Bars und Kneipen, behaupte ich als Citoyen, ist die res publika undenkbar."

Als Ehefrau Tina, mit der er seit 25 Jahren verheiratet ist, eine Gastprofessur in Paris annimmt, hat Max Verständnis dafür. Die Söhne sind groß. "Sie muss wieder mal weg aus diesem Kaff." Bei ihm ist das was Anderes. Er ist hier aufgewachsen. Also wartet er, bis Tina an den Wochenenden heimkommt, und widmet sich den Gästen. Die sind wie ein gefundenes Fressen für Alex Capus, diesen geborenen Erzähler. Mit viel Liebe reiht er Miniaturen aneinander und verliert dabei das große Ganze des Romanes nie aus den Augen. Von Vincenzo ist zu lesen, der stets bei Rot über die Ampel geht, weil er sich vom Staat nicht schikanieren lassen will. Oder von Sergio, der als armer Junge beim Fußballspielen genagelte Bergschuhe tragen musste - "es krachten die Schienbeine; bald durfte er nicht mehr mitspielen". Alex Capus hält in seinem mühelosen Roman ein Plädoyer für Menschlichkeit und Liebe. Erst als Tina weg ist, merkt er, wie sehr er sie liebt. Verliebte sie sich in Paris in einen anderen: nichts mehr hätte für ihn dieselbe Bedeutung wie zuvor. Gern lässt man sich von diesem Mann alles erzählen. Egal, ob es am Ende wahr ist.

(RP)
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