Minimal Art und Konzeptkunst Der neue Kunstschatz des Landes NRW

Düsseldorf · Die Düsseldorfer Kunstsammlung NRW zeigt erstmals eine große Auswahl von Kunst aus der Kollektion Dorothee und Konrad Fischer. Das Land NRW hat dafür 7,7 Millionen Euro ausgegeben - und damit sogar einen Gewinn gemacht.

Da reibt man sich die Augen: In einer Zeit, in der Kunstwerke der ehemaligen WestLB-Sammlung, der landeseigenen Spielcasinos und des öffentlich-rechtlichen WDR versteigert werden, gibt NRW 7,7 Millionen Euro für Kunst aus. Wenn die kulturelle Spitze des Landes clever wäre, würde sie sich rühmen, dass sie damit auch in materieller Hinsicht einen Gewinn erzielt habe. Denn die Erben des Düsseldorfer Galeristenpaars Dorothee und Konrad Fischer haben nach Abstimmung mit der Verstorbenen die Hälfte ihrer Sammlung der landeseigenen Kunstsammlung NRW geschenkt. Nach einem Vorgeschmack im Klever Museum Kurhaus vor sechs Jahren stellt die Kunstsammlung NRW jetzt erstmals eine große Auswahl aus ihrem neuen Schatz vor.

Dessen Gesamtwert beläuft sich Kunstsammlungs-Direktorin Marion Ackermann zufolge auf "einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag" - was also allermindestens 15,4 Millionen bedeuten würde. In Wirklichkeit muss er erheblich höher liegen, weil sich von der Gesellschaft der Freunde der Kunstsammlung NRW bis zur Ernst-von-Siemens-Kunststiftung Mäzene mit teilweise außergewöhnlichen Summen an der Finanzierung beteiligt haben.

Der Erwerb war wichtig für das Land, weil die Sammlung neben Kunstwerken auch ein Archiv zur Kunstszene vor allem der 60er und 70er Jahre im Rheinland umfasst. Wie es heißt, waren Amerikaner daran interessiert, und es hätte geschehen können, was einst mit der nicht minder bedeutenden Sammlung und dem Archiv des Galeristen Alfred Schmela geschah: Seine Tochter Ulrike verkaufte die Sammlung in die USA, seitdem müssen Beuys-Forscher das Getty-Institut in Malibu aufsuchen.

Bei der Sammlung Fischer geht es nicht um Beuys, sondern um jene Kunst, die unter den Namen Minimal Art und Konzept-Kunst geläufig ist und die ihren Betrachtern zuzurufen scheint: Eigentlich braucht ihr mich nicht anzugucken, eigentlich braucht ihr mich bloß zu denken. Diese Kunst ist in weiten Teilen spröde und beherrscht doch mit ihren Nachfolgern bis heute einen großen Teil des Ausstellungsbetriebs und des Kunstmarkts.

Wer einen Zugang dazu finden möchte, sollte entgegen der vorgesehenen Reihenfolge zunächst das Obergeschoss aufsuchen. Dort vermischen sich die Werke der Kollektion Fischer mit jener Kunst aus dem Besitz des Museums, die die andere Seite der 60er und späterer Jahre spiegeln: abstrakter Expressionismus und Pop-Art. So breiten sich vor Jackson Pollocks furiosem Gemälde "Number 32, 1950" Carl Andres "25 Blocks & Stones" aus: Betonblöcke in Gestalt von Bürgersteigplatten, denen jeweils ein Stein aufgesetzt ist. Nebenan formiert sich Richard Serras "Circle for Konrad", eine Hommage an der Galeristen ein Jahr nach dessen Tod. Der riesige Kreis aus Schieferstücken behauptet sich vor Robert Rauschenbergs Gemälde "Wager" von 1957 bis 1959.

Man sieht: Auch die Zeiten vermengen sich in diesem Saal. Harald Klingelhöller trifft mit einer Kartonagenarbeit von 1995 auf ein "Campbells Soup"-Bild von Andy Warhol, und am Ende erwartet den Besucher das Werk, das der Ausstellung den Namen lieh: "Wolke & Kristall" von Carl Andre, zwei Mal 144 Blöcke aus Blei als Widmung an Konrad Fischer. Zuvor hat man sich davon überzeugen können, dass dieser Konrad Fischer einst als Konrad Lueg als Künstler tätig war, unter anderem als Schöpfer einer seriellen, starkfarbigen Malerei.

Im Erdgeschoss führt Kuratorin Anette Kruszynski die Besucher zwischen Kunstwerken in den eigentlichen Schatz des Zuwachses ein: das Archiv der Galerie Fischer, das auch zahlreiche Kunstaktionen von damals wieder verständlich macht. Dabei erweisen sich die Grenzen zwischen Kunst und Dokument als fließend, und wer als angehender Kunsthistoriker noch nicht weiß, worüber er seine Doktorarbeit schreiben soll, wird dort unbedingt fündig.

Vielleicht über jenes Schmankerl "Ohne Titel", mit dem Jannis Kounellis ein wenig Spaß in die Konzeptkunst brachte: einer weißen Leinwand in einem Rahmen, vor dem ein grauer Vorhang hängt und der links oben eine Petroleumlampe trägt.

Ein Teil der ausgestellten Werke wird fortan die Schausammlung bereichern, nur wenige Meter vom einstigen Standort der Galerie Fischer an der Neubrückstraße entfernt - ein Gewinn auch jenseits der Finanzen.

(B.M.)
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