Pfingst-Konzerte in Köln Das Phänomen Adele

Düsseldorf · Pfingstsamstag und -sonntag tritt Adele in der ausverkauften Lanxess-Arena in Köln auf. Es ist im Grunde die erste Gelegenheit, den britischen Superstar live zu erleben. Deshalb vorab alles, was man über die 28-jährige Königin des Pop wissen muss.

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Foto: dpa, hjb

Es gab bislang kaum eine Gelegenheit, den Superstar Adele live zu erleben. Die Tournee zu ihrem Debütalbum "19" brach sie 2008 ab, sie hatte allerdings auch einen ziemlich guten und sympathischen Grund dafür: Liebeskummer. Sie wolle sich lieber um die Beziehung zu ihrem damaligen Freund kümmern, als von Bühne zu Bühne zu reisen, ließ sie verlautbaren.

Das Tragische war dann, dass es nichts half, das Paar trennte sich nämlich bald. Adele verarbeitete den Trennungsschmerz in den Songs ihrer nächsten Platte: "21" wurde 2011 zum Triumph und verkaufte sich mehr als 30 Millionen Mal. Die zugehörige Tournee brach Adele allerdings auch ab: Sie hatte Probleme mit der Stimme, musste operiert werden. Nach dem Titelsong für den James-Bond-Film "Skyfall" 2012 ließ sie drei Jahre nichts von sich hören.

Aber nun ist sie da, sie kommt, endlich. Binnen weniger Minuten wurden die Karten für die beiden Kölner Termine ausverkauft, man hätte die Halle zwölf Mal voll bekommen können, in Berlin sollen auf dem Schwarzmarkt 7000 Euro für ein Ticket gefordert worden sein. Aber Adele weiß, dass ihre Kunst die Anmutung von Intimität braucht — wenn man bei Arenen für 18.000 Menschen überhaupt von Intimität sprechen kann. Im Stadion jedenfalls würde viel von der Atmosphäre ihrer Musik verloren gehen.

Zuerst: die Stimme. Da wird jeder zustimmen, der schon mal den Song "Hello" gehört hat, und es gibt ja eigentlich niemanden, der ihn nicht kennt. Mindestens ebenso wichtig: die Künstlerpersönlichkeit. Adele passt nicht zum Superstar-Typus unserer Zeit, sie ist etwas Besonderes, sie ragt heraus.

Das wurde schon bei ihrem Debüt deutlich: Im Gegensatz zu Amerikanerinnen wie Beyoncé und Rihanna, die den Soul mit rasiermesserscharfen Beats, workoutgestählten Körpern, Hightech-Choreografien und Gucci-Stilettos schockgefroren und pervertiert haben, menschelte es bei Adele. Sie inszenierte sich als Träumerin, sang klassische, folkige, im besten Sinne altmodische Popsongs, sie gab nichts auf gängige Schönheitsideale, und vor allem war sie nicht so verbissen auf Erfolg ausgerichtet wie die Kolleginnen in der Champions League des Pop.

Während Taylor Swift und all die anderen die Selbstoptimierung zum Lebensprinzip erheben, kann man bei Adele Fünfe gerade sein lassen. Dass sich die Menschen danach sehnen, erkennt man am immensen Erfolg Adeles, für den diese eindrucksvolle Zahl steht: "21" ist das in Großbritannien am viertbesten verkaufte Album nach "Sgt. Pepper" von den Beatles, "Gold" von Abba und den "Greatest Hits" von Queen.

Adele ist auf eine Weise Superstar, wie man selbst gerne Superstar sein würde, wenn man Superstar wäre. Man nimmt ihr ab, dass ihre Freundlichkeit keine Kraft kostet, dass die Herzlichkeit nicht gespielt und ihre Ehrlichkeit keine Pose ist. Von den Millionen, die sie mit "25" verdient hat, kaufte sie sich erstmal einen Porsche, dann ein Haus auf dem Land bei Brighton.

Sie mag schöne Kleider, von Stella McCartney etwa, und sie trägt sie wie eine Freundin, die sich gerade etwas Gutes gegönnt hat: Schau mal, würde Dir auch gut stehen. Sie hat sich ihre Arglosigkeit erhalten, es wirkt immer noch, als sei sie aus Versehen so populär geworden, sie ist unsere Stellvertreterin im Olymp. Adele hat sich ihre Freiheit bewahrt, und dazu gehört auch, dass sie sich treu bleibt. Sie schirmt ihren Ehemann Simon Konecki (41) ab, der früher Investment-Banker war und nun für eine Wohltätigkeitsorganisation arbeitet.

Sie veröffentlicht noch immer bei XL Recordings, der kleinen, unabhängigen Plattenfirma, bei der einst ihr Debüt erschien. Sie verteidigt ihre Privatheit mit einer Coolness, die bewundernswert ist: Phil Collins, mit dem sie kurz und wenig fruchtbringend zusammenarbeitete, beklagte sich im Interview jüngst darüber, dass Adele ihm nie ihre Handynummer gegeben habe. Und den beinharten Produzenten Rick Rubin bügelte sie eiskalt ab: Sie veröffentlichte nicht die Songs, die er fertig bearbeitet hatte, sondern Rohversionen, die er gar nicht freigegeben hatte. Zur Erinnerung: Rubin ist der Kerl mit dem langen Bart, der sonst Slayer und Metallica produziert.

Es gibt keinen anderen Popstar auf diesem Niveau, der es geschafft hat, seine Natürlichkeit so nachdrücklich zu verteidigen. Adele ist lustig, und sie liefert den Menschen Geschichten. Legendär ist das Interview, in dem sie sagte, dass jeder ihrer Tweets neuerdings vom Management kontrolliert werde, bevor sie ihn abschicke. Sie habe nämlich schon zu oft betrunken getwittert.

Vor den Konzerten der Tournee besucht sie tagsüber mit ihrem drei Jahre alten Sohn Angelo Spielplätze in den Städten, in denen sie abends auftritt. Sie wurde in Hamburg auf dem Spielplatz der Parkanlage "Planten un Blomen" und im Miniaturwunderland in der Speicherstadt gesichtet. Sie schaukelte und stand am Wasserbecken, und das hat man bei Beyoncé noch nie erlebt. Und: Ihre Karriere hat etwas von einer Soap Opera. Man kann sich noch gut an das 19 Jahre alte Mädchen erinnern, das "Chasing Pavements" sang.

Damals erfuhr man, dass Adele Laurie Blue Adkins im schwierigen Londoner East End aufgewachsen ist, dass die Mutter sie alleine großzog, dass sie die Spice Girls liebte und von ihrer Mutter Platten von Ella Fitzgerald vorgespielt bekam. Das erste Amy-Winehouse-Album haute sie dann um, das änderte ihre Leben, und sie studierte an der Brit School für Performing Arts. Eigentlich wollte sie ins Marketing, also hinter die Bühne. Als aber jemand ihre Songs ins Internet stellte, wurde die Plattenfirma XL Recordings darauf aufmerksam: A Star Was Born.

Buchstäblich alle. Ob sie wollen oder nicht, denn Adele-Songs werden ständig im Radio gespielt. Die meisten wollen aber sehr gerne. Kinder ebenso wie ältere Menschen. Adele ist der seltene Superstar-Typus, der alle Generationen anspricht. Taylor Swift, Rihanna oder Katy Perry beziehen ihre Popularität vor allem aus der Zuneigung jüngerer Fans, also zwischen zehn und 19 Jahren. Bei Adele ist das anders. So blöd das klingen mag: Sie ist der Popstar für die ganze Familie. Im Grunde für die ganze Welt.

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