Ein Autor gibt Tipps Wie man einen Krimi schreibt

Düsseldorf · Jedes Jahr erscheinen mehr Krimis, zuletzt rund 4000. So schwer scheint das mit dem Schreiben also nicht zu sein. Wer's mal versuchen will: Tipps von einem Krimi-Autor.

Wer einen Krimi schreiben will, der muss erstens anfangen. Und zweitens dranbleiben. Hört sich banal an, ist es aber nicht. Meist bleibt es bei der Idee, beim Vorsatz, beim jahrelang mit sich herumgetragenen Plan, sich doch endlich hinzusetzen und alles aufzuschreiben, was da wild im Kopf herumspukt. Weil die Zeit fehlt oder der Mut, manchmal auch beides, und weil eine leere Seite so bedrohlich sein kann wie in die Mündung einer Waffe zu blicken, um im Genre zu bleiben.

Dabei besteht das Schreiben eines Buches vor allem aus Handwerk und Disziplin. Auf die Muse zu warten, ist vergebliche Liebesmüh. Die lässt sich blicken oder eben nicht.

  • Planung Natürlich gibt es kein Patentrezept, wie man aus ein paar ungeordneten Gedanken eine funktionierende Geschichte baut. Jeder Autor findet einen anderen Weg; der eine beginnt mit dem Ende und arbeitet sich zum Anfang vor, der andere lässt sich assoziativ auf dem Bewusstseinsstrom treiben. Beides ist für einen Krimi ungeeignet. Denn der folgt, bei aller Bandbreite, ein paar Regeln - er will unterhalten, fesseln, mitreißen, überraschen, überwältigen. Auf gut Glück lässt sich das nicht herstellen. Der Autor muss vorher wissen, wer der Mörder ist. Es braucht also vor allem anderen: einen Plan.
  • Komposition Die Komposition eines Romans folgt grundsätzlich den Regeln des Dramas: Exposition, Ansteigen der Handlung, Höhe- und Wendepunkt. Spannungsliteratur lebt allerdings von Wendungen, Cliffhangern, also offenen Situationen am Kapitelende, dosierter Action. Das alles will wohlüberlegt sein - vor dem Schreiben. Wie ein Storyboard beim Film hilft eine Gliederung das Buch zu bauen, die Abfolge festzulegen, je detaillierter, desto besser. Das kann bis zu einzelnen Dialogen oder Textpassagen gehen, zu ausformulierten Kapitelenden und Anfängen, zu zentralen Sätzen. Eine im Vorhinein festgelegte Struktur befreit von der Angst, irgendwann nicht weiter zu wissen, erleichtert den Start (dann ist es auch egal, ob man vorne oder hinten anfängt) - und schafft Spielraum für Improvisation. Ein Großteil der eigentlichen Arbeit findet mithin vorher statt, im Kopf.
  • Figuren Zum Schreiben gehört es auch, sich von sich selbst überraschen zu lassen. Oder von den Figuren, die gerne ein Eigenleben entwickeln und Dinge verlangen, die der Autor unmöglich erahnen konnte. Deshalb sollte man ihnen gerade am Anfang einer Geschichte Raum geben. Figuren sollten Zeit bekommen, um sich zu entfalten und eine Verbindung zum Leser aufzubauen - nur dann ist er bereit, sich auf sie einzulassen und mit ihnen mitzufiebern. Nebenfiguren dürfen auch mal klischeehafte Züge tragen, die Protagonisten müssen komplexer sein, so lebensnah wie möglich. Kaputte Kommissare mit Alkohol- und Beziehungsproblemen langweilen. Lieber den Freundes- und Kollegenkreis auf außergewöhnliche Charakterzüge scannen.
  • Erzählperspektive Die Erzählhaltung bestimmt nicht nur Tonalität und Atmosphäre, sondern auch den Zugang des Autors zum Text. So mag die Ich-Perspektive spannend sein, zwingt aber dazu, die Handlung aus einer Sichtweise zu konstruieren. Das will wohlüberlegt sein. Dagegen kann ein übergeordneter Erzähler durch verschiedene Augen blicken und unterschiedliche Gedankenwelten ausbreiten. So entstehen Brüche und lässt sich Spannung aufbauen - außerdem vereinfacht es die Entwicklung einer Geschichte, weil sie sich aus verschiedenen Blickwinkeln zusammenbauen lässt. Und es macht als Autor mehr Spaß, sich auf unterschiedliche Figuren einzulassen.
  • Plot Ein Krimi ist eigentlich eine Geschichte, die zunächst nur zur Hälfte ausgebreitet wird. Das, was der Autor verschweigt (aber kennen sollte), macht die Spannung aus. Wichtig: Jede Geschichte braucht ein Geheimnis, ein Treibmittel, das den Leser durch den Roman trägt. Das kann die Frage nach dem Täter sein (Whodunit), aber auch etwas anderes, das nur häppchenweise preisgegeben wird - in meinem aktuellen Roman "Die Herzlosen" sind es etwa mysteriöse Filmaufnahmen, deren Inhalt weitestgehend im Dunklen bleibt. Hitchcock hat für solche Spannungsmomente den Begriff McGuffin erfunden.
  • Sprache Natürlich muss jeder seinen eigenen Stil finden, herumexperimentieren, sich ausprobieren. Handwerkliche Tugenden sind jedoch auch hier willkommen. Was hilft: viel lesen. Die Konkurrenz schläft nicht.
  • Und jetzt? Hinsetzen, am besten jeden Tag zur festen Zeit, und schreiben. Manchmal läuft's, manchmal nicht. Manches ist gut, vieles nicht. Aber so, und nur so, entstehen jeden Tag ein paar Zeilen, Absätze, Seiten. Und die ergeben am Ende: ein Buch.

Der Autor ist Redakteur im Ressort Reportage und schreibt seit etwa zehn Jahren auch literarisch. Im Aufbau-Verlag sind die beiden historischen Thriller "Unter Mördern" und "Ein fremder Feind" um den Agenten Richard Krauss erschienen, bei der Edition EP (als E-Book und TB nur bei Amazon) gerade der zeitgenössische Thriller "Die Herzlosen". Zwei ungleiche Freunde decken dabei ein grausames Verbrechen auf.

(RP)
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