Die 100 schönsten Romane Platz 6: "Der menschliche Makel" von Philip Roth

Der US-amerikanische Autor zählt zu den größten Erzählern des 20. Jahrhunderts.

Weiß der Teufel, warum Philip Roth noch nicht den Literaturnobelpreis bekommen hat. So viele Jahre schon ist er der aussichtsreichste Kandidat aller Zeiten, dass er darüber alt und müde geworden ist. 2012 war es, als der heute 82-Jährige verkündete, nichts mehr veröffentlichen und nur noch sein Archiv daheim ordnen zu wollen. Und damit er sein eigenes Schreibverbot bloß nicht vergisst, klebte Roth ein Zettelchen an den Kühlschrank: "The struggle with writing is over" steht darauf. Der Kampf mit dem Schreiben ist vorbei. Das Werk eines der größten Erzähler des 20. Jahrhunderts dürfte somit also zu einem Abschluss gekommen sein.

Wie bedeutend der in New York lebende Autor mit jüdischen Wurzeln tatsächlich ist, daran scheiden sich manchmal die Geister. Wobei die Meinungsunterschiede oft mit Geschlechterunterschieden identisch sind. So finden sich unter den Kritikern des Autors auffallend viele Frauen. Das mag an seinem belletristisch-freizügigen Umgang in der Darstellung von Sexualität liegen, in denen sich vor allem die Sicht der Männer spiegelt.

Romane aber sind keine Essays, sondern Großgeschichten, bei denen drastische Darstellungen weder Selbstzweck noch Ansichten des Autors sind. Sie sind stets Teil des erzählten Kosmos. Sex steht bei Philip Roth oft für die Verfassung des Menschen - mal ist er ein Zeichen für Rebellion, mal für Verzweiflung und meist eine Form seelischer Selbstentblößung.

Mit einer Affäre beginnt auch "Der menschliche Makel", doch ist sie nur eine Art weiterer Begleitumstand. Der eigentliche Makel ist das unbedacht gesprochene Wort des 71-jährigen jüdischen Altphilologen Coleman Silk, der Seminarteilnehmer als "dunkle Gestalten" bezeichnet und mit den darauf folgenden Rassismus-Vorwürfen in einen Strudel von Gerüchten und Lügen gerät. Alte Rechnungen werden beglichen und Machtkämpfe ausgetragen, Bedrohungen folgen; Silks Frau stirbt an einen Schlaganfall. Seine Kinder wenden sich von ihm ab. All das wird von Nathan Zuckerman aufgeschrieben - einer Lieblinsfigur vieler Bücher von Roth. Und der deckt manche unglaubliche und lebensbedrohende Geheimnisse auf. Diesen Roman muss man lesen, am besten die ganze amerikanische Trilogie, die mit dem "Makel" abschließt. Und dann - peu à peu - alle übrigen Werke von Philip Roth.

Philip Roth: "Der menschliche Makel". rororo, 400 Seiten, 9,99 Euro

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(RP)
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