Frankfurter Buchmesse Salman Rushdies moralischer Kurzbesuch

Frankfurt · Der noch immer verfolgte Schriftsteller verteidigte zu Beginn der Buchmesse die Meinungsfreiheit.

 Salman Rushdie auf der Frankfurter Buchmesse.

Salman Rushdie auf der Frankfurter Buchmesse.

Foto: ap

Drei Sicherheitsschleusen mussten passiert werden, ehe man nach vorheriger Anmeldung und polizeilicher "Zuverlässigkeitsüberprüfung" tatsächlich vorgelassen wurde. Zu Salman Rushdie, dem indisch-britischen Autor, der zum Auftakt der 67. Buchmesse nach Frankfurt gekommen - genauer: zwischengelandet war. Denn nach seiner Ankunft und 15-minütigen Rede hastete er mit Sicherheitsgefolge sogleich wieder Richtung Großbritannien. Doch Rushdie, gegen den 1989 der iranische Revolutionsführer Ajatollah Chomeini die Todesstrafe wegen der Veröffentlichung des Buches "Die satanischen Verse" verhängt und ein Kopfgeld in Millionenhöhe ausgesetzt hatte, war nicht auf der Flucht. Sein neuer Roman ist gerade mehrsprachig erschienen und verlangt Präsentationen auch durch den Urheber.

Salman Rushdie muss seit der Fatwa versteckt leben, je nach politischer Bedrohungslage mal mehr, mal weniger. Derzeit wird die Gefährdung offenbar wieder höher eingeschätzt, denn beiderseits seines Rednerpults sind ein halbes Dutzend Sicherheitsleute postiert, die uns Zuhörer nicht aus den Augen lassen.

In solcher Atmosphäre spricht der 68-Jährige also über das hohe Gut der Meinungsfreiheit, die man wie die Luft zum Atmen brauche und es darum auch nicht nötig sei, darüber überhaupt zu diskutieren. Rushdie spricht nicht über die gegen ihn verhängte Fatwa, er spricht auch nicht über den Iran, der wegen seines Kurzauftritts nun die Messe boykottiert. Der Verfolgte redet über uns, den Westen. Auch dort sei das freie Wort gefährdet. Manchmal auch aus fadenscheinigen Gründen wie der "Political Correctness". Da laden Studenten einer englischen Uni zwei Redner zu einer Veranstaltung über Meinungsfreiheit wieder aus, da ihnen ihre Ansichten nicht passten. Und in den USA gibt es Überlegungen, kleine Buttons auf Buchumschläge zu kleben, mit denen Leser auf vermeintlich beunruhigende Inhalte aufmerksam gemacht werden sollen. Das sind bedenkenswerte Episoden vielleicht. Viel ernster aber ist für Rushdie die "merkwürdige Allianz" von Teilen der europäischen Linken mit radikalen Denkern des Islams.

Salman Rushdie erinnert an die Aufklärung, die sich zunächst vor allem gegen die Kirche gerichtet habe, wie auch an die Kraft des Geschichtenerzählers. Literatur sei nur ein Gemälde von Wirklichkeit, so Rushdie, sie ist und bleibt die Wahrheit einer Person, die allen Lesern angeboten wird. Genau das aber macht Bücher in den Augen derer, die glauben, im Besitz der Wahrheit zu sein, so gefährlich.

Rushdies gestriger Auftritt, der dazu führte, dass der Iran seine Teilnahme an der Messe boykottierte, sollte der weltgrößten Bücherschau als Manifest für die Freiheit des Wortes dienen. Denn Frankfurt möchte sich nicht nur als Ort des Geschäftes positionieren, sondern auch als Stätte des freien Geistes. Messedirektor Juergen Boos erklärte zur wichtigen Aufgabe von Literatur und Verlegertum: "Sie muss stören". Dass er darin gar eine Tradition der Messe sah und in diesem Sinne an seinen Vorgänger Peter Weidhaas erinnerte, ist erstaunlich. Schließlich nahm die Buchmesse 1990 Abstand von einer Solidaritätsbekundung für Rushdie. Eine vieldiskutierte Einladung blieb damals aus, da man "kontraproduktive Reaktionen" bei einem Auftritt des verfolgten Autors befürchtete.

(los)
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