Kurzkritik: "Immer schön die Ballons halten" Probleme, die aus dem Erwachsenwerden erwachsen

In seinem ersten, tollen Buch hat sich der Bochumer Tobi Katze amüsant und klug mit (seiner) Depression befasst. Das zweite ist etwas anders – und nicht viel schlechter.

Kurzkritik: "Immer schön die Ballons halten": Probleme, die aus dem Erwachsenwerden erwachsen
Foto: rowohlt

In seinem ersten, tollen Buch hat sich der Bochumer Tobi Katze amüsant und klug mit (seiner) Depression befasst. Das zweite ist etwas anders — und nicht viel schlechter.

Henriette Liebling war mal eine aufstrebende Schriftstellerin, aber das ist sieben Jahre her und fühlt sich noch viel länger an, denn heute ist sie Ende 30 und schwer gefrustet von ihrem öden Bürojob. "Lauwarm erwischt" hat sie das alles, das ist ja das heimtückische. Sie hat versucht, sich im echten Leben einzurichten, neuen Druckverhältnissen anzupassen, doch das Erwachsensein hat sie verformt. Charakterlich. Ein Arschloch sei sie geworden, stellt ihr Freund Mattes fest, eher traurig als wütend, und dazu winselt der gemeinsame Hund mit dem knuffigen Namen Tüte. Manchmal ist Fräulein Liebling das tatsächlich, und teils auch albern, auf eine nervige Art, kindisch statt kindlich.

Aber darum geht es Tobi Katze auch: Dass seine Protagonistin Fehler und Schwächen hat, dass sie in den falschen Momenten zu passiv ist und zu sehr vertraut auf die heilende Wirkung von Kaffee und Büchern, und das dann anderswo anderswann überkompensiert. Dass die Welt zwar ungerecht sein kann - wie vor allem eine gruselige Szene mit einer hämischen Frau vom Jobcenter beweist -, aber Selbstgerechtigkeit und Selbstmitleid keine Abhilfe schaffen.

Das Buch liest sich schnell und leicht, aber schwer fühlt man mit dieser Frau, die umherirrt auf der Suche nach sich selbst und der Antwort auf die Frage: Wie wollen wir leben? Und stellt sich die Frage mal wieder selbst.

"Immer schön die Ballons halten" ist bei rororo erschienen, hat 220 Seiten und kostet 9,99 Euro, hier gibt es eine Leseprobe (PDF-Download). Die nächsten Lesungen in der Region finden statt am 6.11. (Düsseldorf; zakk) und 8.11. (Dortmund; Rekorder) sowie am 6.12. (Essen; Zeche Carl) und 7.12. (Bochum; Rotunde).

(tjo)
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