Neues Buch über Adolf Hitler Der Führer als Junkie

Berlin · Ein neues Buch über Adolf Hitler stellt jetzt die These auf, Drogenkonsum sei ein Schlüssel zum Verständnis des Diktators. Experten stehen dem Ansatz skeptisch gegenüber.

Seltsames über Adolf Hitler
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Foto: ddp

"High Hitler" hat der Autor Norman Ohler einen Hauptteil seines Buches "Der totale Rausch - Drogen im Dritten Reich" überschrieben. Dass der Diktator vor allem in den letzten Jahren seines Lebens ein Drogen-Cocktail von seinem Arzt Theo Morell verabreicht bekam, ist seit langem bekannt. Doch Ohler geht noch einen Schritt weiter und stellt Hitler nun konsequent als Schwerstabhängigen "im Dauernebel" dar: "Ein gedopter Leistungsathlet, der nicht mehr aufhören konnte, ohne Umkehr - bis zum unweigerlichen Kollaps."

Im "Blitzkrieg" von 1940 waren Drogen laut Ohler eine Art Wunderwaffe der Deutschen. Die Wehrmacht putschte sich demnach mit der Modedroge Pervitin auf - wohingegen "in den französischen Gehirnen nicht die gleiche euphorisch gefärbte Ausnahmesituation herrschte". Kapitelüberschrift diesmal: "Sieg high".

Der Historiker Winfried Süß, der sich intensiv mit der Medizingeschichte des NS-Staates beschäftigt hat, bestätigt:
Pervitin, heute besser bekannt als Methamphetamin und in stärkerer Form als Crystal Meth, war damals in jeder Apotheke zu haben und entsprechend weit verbreitet. Laut Süß ist dies allerdings eine "alte Geschichte, die schon mehrfach aufgearbeitet wurde". Dass Pervitin im "Blitzkrieg" eine wichtige Rolle gespielt haben soll, bestreitet er: "Kriegsentscheidend war dieser Drogenkonsum überhaupt nicht, denn die Leistungsfähigkeit der Wehrmachtsoldaten war im Frankreich-Feldzug nie ein Problem. Das Hauptproblem war, durch die Ardennen den Nachschub hinzubekommen."

Im größten Teil seines Buches schildert Ohler - von Hause aus Schriftsteller -, wie Hitler von seinem Arzt, dem als "Reichsspritzenmeister" verspotteten Theo Morell, auf immer neue Drogen gesetzt wurde. Dabei geht er soweit zu behaupten, "dass Hitler ab Herbst 1941 (...) kaum mehr einen nüchternen Tag erlebte". Der Führer konsumierte demnach Hormone, Steroide, Kokain und das Betäubungsmittel Eukodal.

Das alles liest sich gut, doch am Ende lässt Ohler seinen Leser ratlos zurück. Denn in der Beurteilung des Geschehens ist er schwankend. Einerseits betont er - wohl um dem Vorwurf der Verharmlosung vorzubeugen -, dass Hitler trotz aller Drogen "zurechnungsfähig bis zum Schluss" geblieben sei. Andererseits unterstellt er aber doch eine kriegsentscheidende Wirkung der Drogen, wenn er zum Beispiel schreibt: "Seine (Hitlers) natürliche Intuition, die bis zu Beginn des Unternehmens Barbarossa (Russland-Feldzug) so häufig richtiggelegen hatte, verließ ihn genau dann, als die Einspritzungen, die er sich von seinem Leibarzt verabreichen ließ, seinen Organismus immer mehr durcheinanderbrachten."

An diesem Punkt erheben die Fachhistoriker massiven Einspruch, denn dass die anfänglichen deutschen Erfolge im Zweiten Weltkrieg auf Hitlers "Intuition" zurückgingen, ist von der Forschung längst widerlegt. "Der Versuch, die Geschichte NS-Deutschlands aus der Krankengeschichte des Diktators und dem drogenbedingten Verlust seiner "natürlichen Intuition" zu erklären, ist in methodischer Hinsicht ein bedauerlicher Rückschritt, der der Selbststilisierung Hitlers aufsitzt und den Charakter der Diktatur verharmlost", meint Süß.

Ebenso betont der Berliner Historiker Arnd Bauerkämper: "Morell hat in der Tat Hitler Drogen verabreicht und damit auch sein Wahrnehmungsvermögen getrübt. Aber dass das seine Entscheidungen und den Kriegsverlauf entscheidend geprägt hat, würde ich bezweifeln. Die grundsätzlichen Entscheidungen wären sicherlich nicht anders gelaufen, hätte Hitler keine Drogen genommen."

Wolfgang Benz, Autor einer "Geschichte des Dritten Reiches" und ehemaliger Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung, geht sogar so weit, das Buch nicht lesen zu wollen. Er sei den "Hitler-Hype" leid, kritisiert er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur: "Alle zwei Jahre wird eine neue Sau durchs Dorf getrieben. Ich halte das für vollkommen belanglos, ob sich Hitler jetzt durch Autosuggestion oder durch chemische Mittel in die Rauschzustände versetzt hat, in denen er lebte. Aber die Menschheit braucht offenbar immer wieder neue Erklärungen, die etwas rationaler erscheinen lassen, als es in Wirklichkeit war."

(dpa)
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