"Für die Wahrheit sprechen" Vor 30 Jahren starb Heinrich Böll

Köln · Auch 30 Jahre nach seinem Tod bleibt der Literat Heinrich Böll im kulturellen Gedächtnis der Bundesrepublik präsent. Porträt eines großen Moralisten.

Heinrich Böll – Bilder aus seinem Leben
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"Mit brennendem Herzen und glühendem Mund" wollte er "für die Wahrheit sprechen". Engagement war die "Grundierung, und was ich auf dieser Grundierung anstelle, ist das, was ich unter Kunst verstehe", erläuterte Heinrich Böll einmal. Vor 30 Jahren, am 16. Juli 1985, starb der kritische Chronist der deutschen Nachkriegsjahre mit 67 in Langenbroich bei Düren.

Nach Ansicht von Günter Wallraff, in Köln zuhause und damit dort, wo Böll geboren wurde, ist dessen Werk aktueller denn je. Es sei an der Zeit, Bölls "oft hellsichtigen Stellungnahmen zu Politik und Gesellschaft neu zu entdecken und auf unsere Zeit hin zu interpretieren", schreibt Wallraff in einem Beitrag für den "Kölner Stadt-Anzeiger" (Donnerstag).

Böll mischte sich in die Tagespolitik ein

Der Schriftsteller galt als Moralist, wobei oft offen blieb, ob das Wort Achtung oder Ärger ausdrücken sollte. Böll mischte sich in die Tagespolitik ein, und seine Ansichten waren für die Mächtigen fast immer unbequem. Den größten Streit brach Böll vom Zaun, als er 1972 im "Spiegel" zum Umgang des Staates mit der Baader-Meinhof-Gruppe Stellung nahm. "Sympathisant" hieß das Schimpfwort, das seitdem fast untrennbar mit Böll verbunden war.

Dabei war der Schriftsteller, nüchtern gesehen, völlig unverdächtig, einem Umsturz von links das Wort zu reden. 1974, zwei Jahre nach Erhalt des Literatur-Nobelpreises, nahm er den russischen Schriftsteller Alexander Solschenizyn nach dessen Ausweisung aus der damaligen UdSSR auf. Die Manuskripte des ebenfalls mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Literaten hatte Böll aus der Sowjetunion in den Westen gebracht und so Veröffentlichungen in die Wege geleitet.

Stiftung nach Böll benannt

An der Ausreise des Regimekritikers und Schriftstellers Lew Kopelew hatte er ebenfalls großen Anteil. Doch für viele bornierte rechte Politiker und Publizisten blieb Böll, was auch immer er tat oder sagte, Stein des Anstoßes. Nicht zuletzt, als er sich zusammen mit anderen Künstlern ab Ende der 1970er Jahre für die Friedensbewegung stark machte und viel für die Gruppe übrig hatte, die später als "Die Grünen" ins Parlament einzog und heute eine ihrer Stiftungen nach ihm benannt hat.

Trotz aller Gemeinsamkeiten mit Menschen und Organisationen: Böll wehrte sich gegen Vereinnahmungen. Treffend bezeichnete er sich kurz vor seinem Tod in der spanischen Tageszeitung "El Pais" als Anarchist, dem nichts ferner lag als Gewalt: "Ich bin der Verfassung verpflichtet und zahle meine Steuern, aber ich lehne jede Art von offizieller Macht ab." Diese Grundhaltung prägte auch Bölls Verhältnis zur katholischen Kirche, die in den verschiedensten Figuren immer wieder in seinen Werken vorkam.

Austritt aus der Kirche

Nicht den Glauben, nicht die Botschaft von Jesus Christus lehnte er ab. Bölls Widerspruch galt den Repräsentanten auf Erden, deren Neigung zu CDU und CSU oder deren Glanz und Popanz, wie es der Schriftsteller sah. "Human" und "sozial" hießen Bölls Grundwerte, für die er eintrat und die er in den Evangelien wiederfand. Dass Böll aus der Kirche austrat, war aus seiner Sicht genauso konsequent wie sein Wunsch nach einem kirchlichen Begräbnis, das ein mit ihm befreundeter Künstlerpfarrer hielt. Für Bölls Verhältnis zur Kirche galt, was er über seine ambivalente Beziehung zu seiner Heimatstadt formulierte: "Köln gibt es schon, aber es ist ein Traum."

Zu Bölls wichtigsten Werken zählen "Wo warst du, Adam?", "Billard um halbzehn", "Ansichten eines Clowns", "Gruppenbild mit Dame", "Die verlorene Ehre der Katharina Blum", "Fürsorgliche Belagerung" und in seinem Todesjahr "Frauen vor Flusslandschaft". Mit "Nicht nur zur Weihnachtszeit" und "Doktor Murkes gesammeltes Schweigen" schuf er Satiren, die immer noch zum Besten des Genres gehören. Allesamt geschrieben "mit brennendem Herzen und glühendem Mund".

(KNA)
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