Atlas der Vorurteile 2 Deutschland, Land der Schwabbelweiber

Düsseldorf · Russen sind schwulenfeindlich, Deutsche Klugscheißer, Italiener und Spanier stinkend faul. Tief sitzende Klischees einmal laut auszusprechen, hat sich beim satirischen "Atlas der Vorurteile" schon vor einem Jahr als ebenso großes wie lehrreiches Vergnügen erwiesen. Teil 2 steht dem in Nichts nach.

Atlas der Vorurteile 2: Deutschland, Land der Schwabbelweiber
Foto: Knesebeck

Ausgedacht hat sich das Panoptikum der Schubläden der Künstler Yanko Tsvetkov. Das Prinzip ist denkbar einfach: Er überspitzt Vorurteile, indem er sie in seinen Grafiken dem kompletten Kontinent überstülpt. Statt eines Ländernamens prangt auf dem Umriss des Landes das jeweilige Urteil. Und das fällt in der Regel drastisch aus. Rücksicht auf nationale Empfindlichkeiten? Fehlanzeige.

Zum Beispiel der Blick auf Europa aus Sicht der Niederlande. Darin verkommt Osteuropa zum "Nuttengürtel", Russland ist das Land der "Schwulenfeinde", Griechenland das der Schmarotzer. Das Urteil über Deutschland fällt vergleichsweise freundlich aus: "Unsere Fahrräder", steht da auf der Fläche zwischen Kiel und Garmisch. Derartige Karten mit stereotypen Klischees bietet das 80-seitige Buch auch aus Sicht von Schweden, Serben, Briten und anderen Nationen.

Deutschland wird so zum Land der Schwabbelweiber und Klugscheißer. Tsvetkov treibt das Vorurteil ins Extreme. Ob die Urteile zutreffen, spielt überhaupt keine Rolle - wie so oft, wenn Vorurteile zum Tragen kommen.

Noch radikaler fallen die Urteile beim Blick auf die kulturellen und politischen Unterschiede aus. Mehrfach nimmt der Künstler eine brachiale Zweiteilung vor. Der Norden emotional gehemmt, der Süden sexuell verklemmt. Der Westen Schwulenfans, der Osten Schwulenfeinde. Mehr lassen sich Vorurteile wohl nicht kompromieren. Der Satiriker verdeutlicht das hinterhältig-gewitzt mit einem grafischen Detail: Wie bei einer Bastelvorlage ist der Trennstrich quer durch den Kontinent mit einer Schere versehen.

Neben den sozialen Vorurteilen öffnet Tsvetkov auch noch den Blick auf kulinarisch-abschätzige Klischees. Spanier essen Stierhoden, Türken gekochte Tierköpfe, Deutsche Zungenwurst und Finnen Blutkuchen. Noch Fragen?

Das ist in seiner Gesamtheit nicht nur urkomisch, sondern am Ende sogar ein kultureller Spiegel. Wer mit Vorurteilen über sich und andere konfrontiert wird, lernt etwas über sich selbst.

Das Buch umfasst 80 Seiten, enthält 29 farbige Abbildungen und kostet 16,95 Euro. Erschienen ist es im Knesebeck-Verlag.

(pst)
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